The Bevis Frond - Example 22
Woronzow / Broken SilenceVÖ: 02.11.2015
Die dumpfe Härte
Nick Saloman hat mehr als alle Tassen im Schrank. Sein Tassenschrank ist eigentlich sogar auf eine beneidenswerte Art übervoll, denn woher sonst soll dieser Über-, dieser Wagemut kommen? Das erstrittene Schmerzensgeld eines Motorradunfalls (unbeleuchtete Baugrube) steckte er in den Achtzigerjahren in ein eigenes kleines Tonstudio mitsamt Label. Seither veröffentlicht er wie entfesselt unter dem Bandnamen The Bevis Frond und anderen. Dass das nur wenige wirklich interessiert, ist ihm auf dem Weg zum 22. Album "Example 22" oft aufgefallen, aber stört ihn auch nicht weiter. Ein Un-Bekanntheitsgrad lässt sich ja auch eher zelebrieren als ändern. Aber wie er mit seinem Label Woronzow auf das billig zusammengeschusterte Albumcover kam, das ein Puzzle aus Zebramustern ziert, könnte nicht einmal Oberanalytiker Hermann Rorschach enträtseln.
Lieber lauschen, wie hier das ganze Leben in vertonter Dumpfheit untergeht und Lo-Fi als Genre fortgeführt wird. Das sticht gerade bei den langen Stücken hervor. Saloman erklärt in "Are we nearly there yet?" über acht Minuten fort alle für toll, die in die Zukunft wollen. Besser zurück in die verwunschene Sechziger-Psychedelic. Hierzu spielen die Gitarren Choräle in wundervoll mittelprächtiger Analogproduktion. Auch bis zum Anschlag aufgedreht ist dieser Lärm nicht laut. Spuren, die orientierungslos ins Nirvana gegniedelt werden, später ebenso im halbstark strotzenden "Pale blue blood" oder dem Schlussstück "Well?" mit einer Melancholie als positiver Traurigkeit. Saloman vereinbart mit verletzter und völlig affektfreier Stimme in schwindeliger Sanftmut, alles zu geben, was man von ihm wolle. In einem Pakt, in dem er nichts zurückbekommt.
Freilich hätte man diese langen windschiefen Soli inmitten der Songs auch kürzen können, aber das wäre nur einer schwachsinnigen Logik von Klimax und Spannungsbögen gefolgt, der The Bevis Frond gerne absagen. Auch eher dynamische Lieder wie "Waiting for Sinatra" oder "Winter breaks" sind nicht aufbrausend oder rockig, weil sie hierfür zu zart gespielt und gesungen werden. Das beste Werk der Herren ist es nicht, dafür bleibt "New river head" für immer unantastbar, da es als Doppelalbum mit Exkursen in Pop und Folk noch maßloser ist und Balladen von verstörender Schönheit ("God speed you to earth") beinhaltet. "Example 22" ist, wie im fragilen 13. Lied beschrieben, ein "Vital sign" des 62-jährigen Saloman. Ein Zeichen aus jemandes Leben in von Mitmenschen überhörter Verschüttung. Wirklich innig ist eben nur das Unbeachtete.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Are we nearly there yet
- Pale blue blood
- Second son
Tracklist
- Are we nearly there yet
- Waiting for Sinatra
- Longships
- I blame the rain
- Hot sauce or nothing
- Where is Egon Schiele
- Winter breaks
- Pale blue blood
- Backanile
- Come with us
- Stand back from the handle
- Second son
- Vital signs
- Manual labour
- Down here
- Well?
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realpaul
2015-11-12 20:15:51
Danke dafür, diese Band aus dem Vergessen wieder raus geholt zu haben.
Bei den Referenzen find ich Dinosaur jr. und Tom Petty sehr passend. Würde aber noch The Wipers anfügen ... (und was The The damit zu tun hat?)
Egal. Gefällt. Gibt's irgendwo nen stream? (ich hab schon gesucht, jaja, aber nix gefunden).
Armin
2015-11-11 21:05:34
Frisch rezensiert!
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