St. Germain - St. Germain

Parlophone / Warner
VÖ: 09.10.2015
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Vom Zeitgeist überfahren

Mit seinem Hybrid aus elektronischer Dancemusic und Jazz hat der französische Produzent Ludovic Navarre am Anfang des Milleniums unter dem Projektnamen St. Germain für reichlich Furore gesorgt. "Tourist" hieß die Platte, die den anspruchsvollen Club- und Loungegänger der Zeit direkt in Mark und Bein traf. 15 Jahre sind seither vergangen. Eineinhalb Dekaden, in denen sich Navarre beinahe komplett aus dem Musikgeschäft zurückgezogen hat. Wie aus dem Nichts erschien im Juni die neue Single "Real blues". Jetzt folgt das dazugehörige, selbstbetitelte neue Album.

Mit dem Vorgänger hat die neue Platte kaum noch etwas zu tun. Navarre hat einen neuen Sound gebastelt, der weniger am nordamerikanischen Hardbop als am malinesischen Afrobeat orientiert ist. Prägende Figuren seiner Band sind vor allem Koraspieler Mamadou Cherif Soumano sowie der brasilianische Perkussionist Jorge Bezerra, der mit seinen Polyrhythmen für ordentlich Feuer sorgt. Gitarrist Guimba Kouyate verleiht den Songs eine Blues-Note. Organischer und realer klingt das als die bisherigen Veröffentlichungen des passionierten Pferdeschwanzträgers. Und es trägt durchaus schmackhafte Früchte: "Real blues" ist nicht nur Vorab-Auskopplung, sondern auch Album-Opener und einer der Glanzpunkte des Albums. Um ein Vocal-Sample des großen Lightnin' Hopkins entspinnt Navarre einen Trance-Groove, der vollmundige Versprechungen macht. Leider werden diese nicht durchgängig gehalten. Schon das zweite Stück – "Sittin' here" – ist nicht viel mehr als ein Abklatsch. "Hanky-panky" ringt sieben Minuten lang vergebens nach Orientierung. Und "Voilà" verliert sich in zu vielen Kopfgeburten. Vieles klingt wie x-fach auf den Putumayo-Samplern gehört. Besser weg kommen dagegen "Family tree" mit seinen filigranen Piano-Figuren und der meditative Rausschmeißer "Forget me not". Beides Stücke, mit denen Navarre zeigt, dass er es noch kann.

Das Problem ist nicht der neue Sound, sondern das alte Muster. Die Songkonstruktion – ein Sample über eine Deep-House-Akkordfigur, geloopt und durch wechselnde Dynamiken gejagt – ist dieselbe geblieben. Und das mag vielleicht noch immer elegant sein, ist aber inzwischen längst vom Zeitgeist überholt. Um nicht zu sagen: überfahren. Der Versuch, den Blues in die Gegenwart zu holen, ist also nur zum Teil geglückt. Aller Ehren wert ist er aber dennoch. Und sollte St. Germain demnächst auf Tour gehen, sollte man sich die Gelegenheit dennoch nicht entgehen lassen. Auf der Bühne hatte das Projekt immer schon seine stärksten Momente. Und live könnte auch das neue Material noch einmal besser zur Geltung kommen.

(Sebastian Meißner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Real blues
  • Family tree

Tracklist

  1. Real blues
  2. Sittin here
  3. Hanky-panky
  4. Voilà
  5. Family tree
  6. How dare you
  7. Mary L.
  8. Forget me not
Gesamtspielzeit: 50:59 min

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neinb

2015-10-29 10:53:23

nein

Armin

2015-10-28 21:21:00


Frisch rezensiert!

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