The Wonder Years - No closer to Heaven

Hopeless / Soulfood
VÖ: 11.09.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Wer hat, der hat

Die grauen Tage häufen sich, der Anflug einer Herbstmelancholie macht sich breit. Was jetzt passt? Klar, in sich ruhende Musik. Aber es soll ja auch Menschen geben, die Musik unabhängig von Stimmung auswählen: Sufjan Stevens am Strand in der brütenden Hitze, Manu Chao beim Schnee-Spaziergang im Dunkeln. Der Rezensent gehört bekennderweise nicht dazu – was natürlich nicht bedeutet, dass er ausschließlich analog zur Jahreszeit auswählt. Viel schöner ist sowieso der Moment, unverhofft über eine Band wie The Wonder Years zu stolpern. Hierzulande unlängst in der staubigen Schublade mit den drei Buchstaben vergessen, schafft es der Sechser aus Philadelphia mit seiner fünften Platte "No closer to Heaven" tatsächlich, erkaltende Gemüter mit höchst vertraut klingenden Songs zu erwärmen.

Woran das liegt? Objektiv gesehen, sicher nicht am musikalischen Stil. Jedem alten oder nur äußerlich gealterten Hörer, der das Emo-Genre zu seiner Blütezeit beackert hat, kommen sofort mindestens fünf bis zehn ähnlich klingende Künstler in den Sinn. Ganz sicher aber ist es The Wonder Years' erstaunliches Gespür für Hooklines, Melodien und für die gelungene Dramaturgie eines Popsongs, das dieses Album bemerkenswert macht. "Cardinals" startet sanft, wuchtet sich über eine nachdrückliche Strophe in einen vor Energie platzenden Refrain, der gar Erinnerungen an Taking Back Sundays "Tell all your friends" weckt.

"A song for Pasty Cline" geht bedächtiger zu Werke, bohrt sich dennoch, aufgezogen an einer sich windenden Gitarre, tief in die Synapsen. Gleich mehrere Hörmuschel-Dauergäste tummeln sich auf diesem Album: Der ebenfalls euphorische Rocker "The bluest things on Earth" und der Midtempo-Ohrwurm "Thanks for the ride" sind wohl die stärksten Vertreter. Doch auch der Rest lässt über die volle Dreiviertelstunde Spielzeit kaum nach, weil The Wonder Years trotz teilweiser arg simpler Texte eines fast nie werden: zu glatt und zu seicht. Und wer tatsächlich klingt wie die Besten in ihren besten Jahren (die es heute leider kaum noch schaffen, zwei anständige Songs abzuliefern), dem darf man als Stempel das musikalische Paradoxon "simpler Emorock in gut und in 2015" exakt so aufdrücken.

Und wären Stücke wie "I don't like who I was then" und das simple, aber schöne "You in January" aus ihrer Feder – Kris Roe bzw. The Ataris wären wohl längst aus der Versenkung getreten. Klar, poppiger Punkrock ist nicht mal mehr am College der heiße Scheiß, geschweige denn bei US-Kritikern en vogue. Doch die heute kaum noch verpönte, weil aus den Augen verlorene Szene ist überm großen Teich weiter stabil. Auch wenn es bei den meisten Bands keine qualitativen Gründe dafür gibt. Bestimmte Momente aber lassen Szene-Abneigungen schlicht verblassen, und später dann auch die Herbstmelancholie. "No closer to Heaven" hat sie.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Cardinals
  • The bluest things on Earth
  • Thanks for the ride

Tracklist

  1. Brothers &
  2. Cardinals
  3. A song for Pasty Cline
  4. I don't like who I was then
  5. Cigarettes & saints
  6. The bluest things on Earth
  7. A song for Ernest Hemingway
  8. Thanks for the ride
  9. Stained glass ceilings
  10. I wanted so badly to be brave
  11. You in January
  12. Palm reader
  13. No closer to Heaven
Gesamtspielzeit: 45:17 min

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Beefy

2018-04-16 19:11:09

Die ersten vier und der Letzte sind toll, der Rest doch eher Mittelmass.

eric

2018-04-16 17:13:31

Ja, fängt eigentlich stark an (Kyoto, Pyramids, Sister Cities)

Fängt mit den ersten vier, fünf saustark an. So schwach finde ich die ruhigen Songs auch nicht. Leider ist die zweite Hälfte deutlich beliebiger als die erste, ja. Es wird noch eine Rezension kommen.

Milo

2018-04-16 08:06:30

Ich kenne die Alben der Band, fand bspw. den Vorgänger der aktuellen Platte nicht so pralle. Erinnerte mich alles zu sehr an Taking Back Sunday zu ihren Anfangstagen, nur in weniger gut.

hubschrauberpilot

2018-04-15 16:22:21

Mir gefällt fast gar kein Song vom Album, zu seicht, zu vorhersehbar. Falls du The greatest generation nicht kennst Milo - unbedingt anhören.

Milo

2018-04-15 09:14:26

Ja, fängt eigentlich stark an (Kyoto, Pyramids, Sister Cities), lässt dann gehörig nach. The Gost of Right Now ist dann wieder auf dem Niveau der genannten Songs. Allerdings sind gerade die "leisen Momente" nicht gut gelungen. Hätte eine starke EP sein können.

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