Girls Names - Arms around a vision
Tough Love / CargoVÖ: 02.10.2015
Transatlantische Grüße
Wie kann man nur ständig so unzufrieden sein? Herrje, dieses Schmuddelwetter in Belfast, diese schreienden Möwen und warum sind eigentlich alle so aggressiv hier? Man kann sich gar nicht konzentrieren, überall Stacheldraht. Und eigentlich ist ja sowieso alles Mist. Dem ersten Album "Dead to me" wünschten Girls Names schon den Tod, bevor es überhaupt erschienen ist. Platte Nummer zwei – "The new life" – versprach neuen Mut und Lebenssinn im Schaffen der vier desillusionierten Nordiren. Doch dann erschien Ende Mai die EP "Zero triptych" und schon ist wieder alles zuvor Dagewesene Mist. Eh klar.
Aber vielleicht ist Frontmann Cathal Cully auch gar nicht dauerhaft deprimiert, sondern nur ein Meister der Selbstinszenierung und treibt sein Spiel von Selbstzerstörung und Wiederaufbau voran. Er nimmt sich jedenfalls in der dritten Phase des Schaffens, die mit "Zero triptych" eingeläutet wurde, das Düsseldorfer Drei-Mann-Künstlerkollektiv Gruppe Zero zum Vorbild. Passenderweise haben diese in den Nachkriegsjahren neuen Idealismus gesucht und ihn in Licht, Schatten, Reflexion und mehreren Eimern Nägeln gefunden.
Als hätte die Band eben den Krieg verloren, steht mit einem Schlag alles auf Null: Mit "Arms around a vision" füllen Girls Names das Vakuum mit Aggressivität. Vielleicht aus Angst, zweimal im gleichen Fluss zu landen, vollziehen sie einen Bruch, der deutlich tiefer geht, als der nach "Dead to me." Die verspielten Surf-Rock-Passagen von damals verstecken sich von Kopf bis Fuß unter einer dichten Decke Post-Punk-Gitarren. Oder um es musikhistorisch auszudrücken: weniger Echo & The Bunnymen, mehr The Jesus And Mary Chain.
Die ersten Sekunden des Openers "Reticence" klingen ganz und gar nicht nach Zurückhaltung, sondern geben ein Versprechen: Kein Weichspülmittel mehr für die Gitarren, das Keyboard spielt keine Nebenrolle mehr, der Synthesizer wird fast nur noch bei den Interludes heraus geholt und Cullys Stimme darf auf Notenlinien Purzelbäume schlagen. Ein kongenialer Einstieg wie seinerzeit der Opener "Lawrence" auf "Dead to me", der wiederum ein ganz anderes Konzept für das gesamte Album angesagt hat.
Cully hat offensichtlich keinen Sinn mehr darin gesehen, seinen Schnoddergesang im Raum verhallen zu lassen. In "An artificial spring" steuern seine Stimmbänder bisher ungekannte Höhen und Tiefen an. "Chrome rose" erinnert mit seinen psychedelischen Spielereien und dem nebulösen Ende dagegen noch am ehesten an die alten Girls Names. Fehlt noch das Fleisch am losen Knochen der Neuerfindungsfeier. Das liefern die Nordiren mit "A hunger artist" und "Dysmorphia." Mit knappem Gruß winken sie über den Atlantik Interpol zu. "Arms around a vision" ist kurzatmiger, strukturierter, gewaltiger und wenn es überhaupt einen Kritikpunkt gibt, dann den, dass sich der Sound zu stark am Gesang orientiert – wie in "Take out the hand". Aber im Grunde ist das kein Problem.
Zurück nach Düsseldorf: Drei Jahre, bevor die Gruppe Zero sich 1966 aufgelöst hatte, haben sie ein Manifest veröffentlicht. Darin steht nicht viel mehr, als dass Zero alles, nichts und Zero sein kann. Bei Girls Names braucht man nicht auf Manifeste und Proklamationen warten. Der Name allein ist eine Leerstelle, der ständig neuen Input fordert. Sonst könnten sie auch Michaela heißen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Reticence
- A hunger artist
- Dysmorphia
Tracklist
- Reticence
- An artificial spring
- Desire oscillations
- (Obsession)
- Chrome rose
- A hunger artist
- Málaga
- Dysmorphia
- (Convalescence)
- Exploit me
- Take out the hand
- I was you
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Armin
2015-10-21 22:17:02
Frisch rezensiert!
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