New Order - Music complete

Mute / GoodToGo
VÖ: 25.09.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Tutti frutti, bella discoteca

Endgültig und abschließend mutet der Albumtitel an, dabei ist "Music complete" nicht die x-te Werkschau oder Raritätensammlung, sondern das zehnte Album von New Order. Das erste seit zehn Jahren, hat "Lost sirens" im Jahre 2013 doch nur beinhaltet, was nicht auf dem eher mittelprächtigen "Waiting for the sirens call" verwertet wurde. Es ist auch das erste Album nach dem streitreichen Ausstieg von Peter Hook. Am Bass wird dessen schleppendes Spiel weitestgehend verlustfrei von Tom Chapman imitiert. Und nach langer Mutterpause ist Gillian Gilbert wieder am Keyboard. Ausschlaggebende Inspiration lieferte Bernard Sumner ein Besuch im Berliner Berghain. Zurückerinnernd: Es war auch ein nächtliches Grübeln in einem New Yorker Tanzschuppen, das ihm nach Ian Curtis' Tod half, Joy Division zu entsagen und das elektronischere Klangbild mit weit positiverer, weniger nihilistischer Anmutung zu entwerfen.

"Music complete" ist ein Dance- oder Disco- oder Elektro-Album. "Plastic" und "People on the high line" sind Reminiszenzen der kokainreichen Giorgio-Moroder-Zeit rund um Donna Summers "I feel love". Noch deutlicher arbeitet sich "Tutti frutti" am Eurodance ab. Näher waren ihm New Order zuletzt mit "Technique" anno 1989. Wie Sumner auf "Tutti frutti" gekommen ist, bei dem ein Altherr – angeblich ein Sandwich-Shop-Besitzer mit italienischen Wurzeln – über Synthesizer sprechsingt, die viel von Kraftwerks "Tour de France soundtracks" von 2003 haben? Er erklärt, dass ihm die Idee bei Nacht nach einigen Gläsern Rotwein gekommen sei. Und bevor man das blöd und kindisch und total übertrieben findet, setzt der Chorus ein. Hier, wie auf zwei anderen Tracks, kommt Eleanor Jackson (La Roux) vollends zur Geltung. Sie und die synthetischen Streicher eilen herbei: "You got me where it hurts / But I don't really care / 'Cause I know I'm okay / Whenever you are there."

"Singularity" kombiniert den augenscheinlichen Joy-Division-Bassbeginn – man denke nur an "Shadowplay" – mit verzerrten Gitarren zu hallenden Synthies. Die Songs auf "Music complete" wirken häufig wie die Superlative von richtigen Entscheidungen, denn als Produzenten wurden Tom Rowlands, einem der Chemical Brothers, und Stuart Price, zuletzt bei den Pet Shop Boys werkelnd, angeheuert. Gastspiele, die weniger fruchten, gibt es noch von Brandon Flowers, der mit "Superheated" seine schmachtendsten Solo-Fetzten selbst kopiert und von Iggy Pop, der in "Stray dog" ein Poem von Sumner vorträgt.

New Orders Stärke war stets das Leichtfüßige, das Nichtangestrengte und dabei doch irgendwie Berührende. Eine Schlichtheit, die nicht als stupide abgetan werden darf. Wohl auch darum lässt sich zu "Music complete" nicht tänzerisch Bibbern, wie es heutzutage in vielen Discos en vogue scheint. Der Tanz zu diesem Album ist, trotz schneller Rhythmik, ein gemächlicher, einer, der die großen Bewegungen geradezu theatralisch ausspielen möchte. Abgesehen von "Unlearn this hatred" wird es kein Song in Berghain-ähnliche Etablissements schaffen, dafür sind die Synthesizer zu weich, die Melodien zu euphonisch. Und die in "Academic" groß aufspielenden Rhythmusgitarren zu akustisch. Viele werden das als langweilig schimpfen. Für andere ist es das Fest des alten, einst neuen Zeitgeistes.

(Maximilian Ginter)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Singularity
  • Tutti frutti
  • Academic

Tracklist

  1. Restless
  2. Singularity
  3. Plastic
  4. Tutti frutti
  5. People on the high line
  6. Stray dog
  7. Academic
  8. Nothing but a fool
  9. Unlearn this hatred
  10. The game
  11. Superheated
Gesamtspielzeit: 64:25 min

Im Forum kommentieren

Gordon Fraser

2024-04-01 16:39:07

"Tutti Frutti" ist vermutlich sogar mein heimlicher Favorit hier.

Lichtgestalt

2024-04-01 16:08:13

Ich gehöre auch zur Tutti Frutti-Fraktion.

slowmo

2024-04-01 15:48:16

Finde das Album von den "neueren" (also damit meine ich alles was nach den 80ern erschien) auch am zweitbesten hinter "Get Ready".

"Tutti Frutti" finde ich großartig. Italo Disco meets "Le Tour de France" von Kraftwerk und dementsprechend für mich immer so ein Sommer/Urlaubssong, den man ideal laufen lassen kann, während man den Brenner überquert oder durch den Gotthardttunnel fährt.

NeoMath

2024-04-01 14:48:48

Ich find das Album auch OK, aber Tutti Frutti eher zum Fremdschämen..

Lordran

2024-03-30 09:36:47

Die zwei Songs der Chemical Brothers runter durch zwei Songs der „Lost Sirens“ ersetzen.
Was ein Knalleralbum das wäre.
Trotzdem klasse Platte.

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