Chvrches - Every open eye
Vertigo / UniversalVÖ: 25.09.2015
Im Porzellanladen
Die Liebe für das Chvrches-Debüt "The bones of what you believe" ist auch zwei Jahre nach Erscheinen ungebrochen: Kaum ein anderes Album der letzten Jahre brachte Elektropop, durch dessen violette Adern dickflüssige Melancholie pumpt, so dermaßen gut auf den Punkt. Die großzügigen Synthies bildeten die Grundlage für einen Sound, der sich nicht seiner technoiden Einflüsse schämte, der sie im Gegenteil sogar ziemlich zentral platzierte, als Ausgangspunkt und Herzstück. Als wesentliches Merkmal kam freilich Lauren Mayberrys markante Stimme hinzu, die mit der Zerbrechlichkeit wertvollen Porzellans ihre zweifelnden Verse zum Besten gab. Zunächst war nicht klar, ob diese Klangwelt die Zeit überdauern würde, wirkte sie doch arg fragil. Doch Chvrches wuchsen dem Hörer nach und nach immer mehr ans Herz, die verzweifelten Songs mit den süßlichen Melodien gingen direkt ins Blut und infizierten ihn mit einem Virus, dem langfristig nur mit einer Medizin beizukommen war: einer Überdosis ebenjener Lieder.
Das Feld ist also bestellt für ein zweites Album und die Erwartungen könnten kaum gegensätzlicher sein: Natürlich ist da die ganz große Vorfreude, doch mischt sich jene mit einem diffusen Gefühl der Skepsis. Können Chvrches mit ihrem zweiten Album an die kühle Grandezza des Erstlings anknüpfen? Ist man selbst noch empfänglich für eine zweite Runde mit Lauren, Iain und Martin? Und braucht es überhaupt ein Update oder reicht das Debüt als einmaliges Statement nicht schon aus? "Every open eye" beantwortet diese Fragen mit drei zarten "Ja"s, die man sich vielleicht entschlossener gewünscht hätte. Von einer Enttäuschung kann man dennoch nicht sprechen. Dafür sind alleine die beiden Opener schon wieder zu verhängnisvoll-verlockend.
Zum einen ist da "Never ending circles", das als perfekte Querverbindung zwischen den beiden Platten des Glasgower Trios fungiert: Die Keyboards preschen wieder stürmisch-verträumt voran, während Mayberrys Stimme ein weiteres Mal eine zwischen leiser Traurigkeit und Aufbruchseuphorie oszillierende Stimmung einfängt. Im folgenden "Leave a trace" wird die Melancholie noch etwas nachdrücklicher, greifbarer, sie drängt sich in jede einzelne Pore und löst sich letztlich wieder in einem herrlichen Melodiebogen auf. Chvrches haben dieses Spiel bereits auf ihrem Debüt perfektioniert, auf "Every open eye" gehen sie in die wohlverdiente Nachspielzeit. Manchmal wagen sich die Schotten gar in vergleichsweise neue Gefilde vor, werden noch technoider, streifen dabei in "Keep you on my side" die Grenze zum Eurodance. Das darf man durchaus mutig nennen, vielleicht sogar waghalsig. Es zeigt aber auch, mit wie viel Selbstbewusstsein die eigentlich doch so kleine Band mittlerweile auftritt.
"Make them gold" flirrt zu Beginn zitternd los, der Beat pumpt mit stoischer Beharrlichkeit: Chvrches klingen auf "Every open eye" zum Teil noch eingängiger, noch dringlicher als auf dem Erstling, suchen und finden oft den direkten Schlüssel zum Ziel und vermeiden unnötige Umwege. Nicht unterschlagen werden sollten zudem auch gerade jene Songs, in denen Martin Doherty, sonst zweiter Mann neben Iain Cook an den Tasten, die Regentschaft am Mikrofon übernimmt. "High enough to carry you over" und der Bonus-Track "Follow you" wirken als Kontrapunkte, geben dem Album ein wenig Erdung: In ihnen verbinden sich kühl dampfende Electro-Beats und der sehnende Gesang des ehemaligen Aereogramme-Handlangers zu einem dunkel-funkelnden Amalgam. "Every open eye" macht letztlich also eine Menge richtig. Dem glanzvollen Debüt wird es dennoch nicht vorzuziehen sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Never ending circles
- Leave a trace
- Bury it
- Follow you [Bonus]
Tracklist
- Never ending circles
- Leave a trace
- Keep you on my side
- Make them gold
- Clearest blue
- High enough to carry you over
- Empty threat
- Down side of me
- Playing dead
- Bury it
- Afterglow
- Up in arms [Bonus]
- Get way [Bonus]
- Follow you [Bonus]
- Bow down [Bonus]
Im Forum kommentieren
Mainstream
2015-11-13 19:27:07
Lauren hört euch nicht :3
http://i.imgur.com/xgWUVwJ.jpg
The MACHINA of God
2015-11-13 16:25:56
Lauren und Florence sind für mich aber zwei Extreme. Erstere sieht immer noch aus wie 16, zweitere sah schon bei ihrem Debut wie 30 aus.
BrockLanders
2015-11-13 14:01:10
Ja, den Typen fand ich auch geil. Der freut sich wahrscheinlich jeden Abend am meisten auf diesen Song.
Demon Cleaner
2015-11-13 08:51:18
Sehr sympathisch fand ich übrigens Martin Doherty als Frontmann für "Under The Tide". Der wirkte nicht so abgeklärt, sondern hopste zwar eher unbeholfen auf der Bühne rum, aber das war richtig charmant.
Auch wenn Lauren natürlich eine tolle Präsenz hat mit - ja, optisch 15 ungefähr.
Okay sie hat live gesungen und hier und da wurde mal ein E-Bass rausgeholt, aber der Rest ist ja nur Konserve.
Gut, das liegt eben am Genre, Synthies spielen sich nun mal "leichter". Auch in diesem Genre kann man aber mal mehr von den Studioversionen abweichen.
BrockLanders
2015-11-13 08:48:18
Ich fands gestern auch recht professionell. Lauren Mayberry wirkt aber zuweilen wie ein Schlagersängerin. Und dann wieder wie ein kleines Kind. Ich war zuerst erschrocken, weil sie dann wirklich wie 15 aussieht. Kaum zu glauben, dass eine Florence Welsch nicht mal ein volles Jahr älter ist.
Naja, grundsätzlich sind diese Elektroband etwas grenzwertig. Okay sie hat live gesungen und hier und da wurde mal ein E-Bass rausgeholt, aber der Rest ist ja nur Konserve.
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