Ugly Kid Joe - Uglier than they used ta be
Metalville / Rough TradeVÖ: 18.09.2015
Auferstanden aus Routine
Was wohl Rotzlöffel Joe die vergangenen zwei Jahrzehnte angestellt hat? In den Neunzigern hat er ja am liebsten das gemacht, was alle Frühpubertären mitten im akuten Gesellschaftskonflikt gerne tun: den Stinkefinger gezeigt und heimlich Bier getrunken, den Stinkefinger gezeigt und Tittenhefte gewälzt. Und im Wohnzimmer gezündelt. Die noch kürzere Kurzfassung: Joe war tot. Jetzt ist er untot. Von Blitzen aus dem Grab erweckt, das die Inschrift trägt: "UKJ 1987 – 1997". Das zeigt selbsterklärend das Mittelblatt des Booklets dieser Wiederauferstehung namens "Uglier than they used ta be". Beerdigt hatten ihn einst seine Ziehväter um Frontmann Whitfield Crane, der nach dem Album "Motel california" das Ende von Ugly Kid Joe testamentierte.
Doch nach seinem ersten Gruß aus dem Jenseits als rundgezeichneter Teufel auf der 2010er EP "Stairway to hell" ist Joe nun endgültig zurück unter den Scheinlebenden. Nicht erwachsener, sondern eher abgewrackter, wenn er dabei zwei skelettierte Mittelfinger vom Cover reckt. 19 Jahre Todesschlaf? Kein Problem für die Rock-Kids von gestern. Nicht nur weil Crane noch immer unruhigen Schritts und kraftstrotzend die Bühne als sein Freilaufgehege absprintet, als wäre er Anfang 20. Wenn es wirklich einen Grund gibt, warum Joe wieder unter uns weilt, ist es der Einschlag, den "Hell ain't hard to find" auf dem Friedhof des Altherren-Hard-Rock hinterlässt. Kerzengerade wie ein ausgestreckter Mittelfinger schiebt der Opener die grabsteinschweren Gitarrenriffs vor sich her, als hätte es die Zeit im Grab, dieses 9/11 und auch die Finanzkrise nie gegeben. Etwas mehr Foo Fighters, etwas weniger Metallica. Aber wie immer mit Tod und Teufel im Bund.
Spätestens beim zweiten Song "Let the record play" wird deutlich, dass die Band unter der Erde ihren Sound lediglich konserviert hat. Nietzsche würde etwas von ewiger Wiederkehr säuseln, wenn Crane predigt, die Vergangenheit auszuklammern und im Hier und Jetzt zu leben. Oder wenn er in "Bad seed" offenbart, dass alle Erziehungsversuche gescheitert sind: "The devil is my only friend." Diese Naivität schmerzt, die Geradlinigkeit aber beeindruckt und der Mittelfinger zuckt.
Mit "Mirror of the man" feiert der Grunge seine nächste Wiedergeburt. "She's already gone" poppt vor sich hin und mündet in die Rockballade "Nothing ever changes." Titel, wie in Stein gemeißelt. Cover? Bittesehr. Für Motörheads "Ace of spades" hat man sich die Unterstützung eines Experten für den Kabinenparty-Song gesichert: Motörheads Gitarrist Phil Campbell höchstpersönlich, der – wenn schon mal da – gleich noch "My old man" und "Under the bottom" einspielt. Das zweite Cover, "Papa was a rolling stone" von The Temptations, klingt allerdings weniger nach Auferstehung als nach geistiger Verwirrung nach dem Nachmittags-Nickerchen. "Uglier than they used ta be" ist sicher kein Album für die Ewigkeit. Aber auch kein Todesurteil.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hell ain't hard to find
- Bad seed
- She's already gone
Tracklist
- Hell ain't hard to find
- Let the record play
- Bad seed
- Mirror of the man
- She's already gone
- Nothing ever changes
- My old man
- Under the bottom
- Ace of spades
- Enemy
- Papa was a rolling stone
Im Forum kommentieren
bazilicious
2015-09-29 13:46:35
Sehe ich ähnlich, das Album ist sehr gut gelungen und hat mich auch sehr positiv überrascht... man sollte sich natürlich im klaren sein, dass es keine songwriting kost von klassikerformat oder innovative meisterleistungen geben wird, aber die Songs sind durchweg gut und die Atmosphäre ist klasse und durchaus frisch/leichtfüßig. Mirror Of The Man ist bei mir auch gleich rausgestochen, sehr guter Song. Papa was a rolling stone ist ein totalausfall und unnötig, ist aber IMO wirklich der einzige Schwachpunkt.
Für mich eine sehr gute 7/10, werde ich mir noch häufiger anhören
Menikmati
2015-09-29 13:37:05
Als alter Verehrer musste ich da kurz reinhören. Und ich bin positiv überrascht: Hell ain't hard to ist sehr einprägsam, wenn auch stark an Foo Fighters angelehnt. Mirror of the man gefiel mir bisher am besten - das Songwriting ist zwar durchschnittlich, dafür die Atmosphäre top. Die meisten Songs sind solide und einen echten Ausfall (Papa was a Rolling stone hab ich noch nicht gehört) konnte ich nicht ausmachen..6/10 mit Luft nach oben..
bazilicious
2015-09-29 11:23:41
Die beiden songs sind absolut nicht repräsentativ. Papa was a rolling stone ist grauenvoll, aber auch der einzige schlechte song der Platte. Ace of spades ist ok, aber natürlich nicht spektakulär. Die anderen 9 Songs sind alle gut bis hervorragend und können sowohl laut als auch leise/akustisch. Hör auf jeden fall rein, da sind schon einige gute Songs drauf - mirror of the man, enemy, shes already gone, auch hell aint hard to find finde ich super.
Telecaster
2015-09-29 10:54:00
Kurz in die beiden Coverversionen reingehört, "Ace of Spades" total unnötig, bei "Papa Was A Rolling Stone" habe ich mich gewunden vor Grauen. Wenn ich mal nen besseren Tag erwisch, geb ich mir das Album mal ganz, vielleicht auch nicht.
bazilicious
2015-09-23 21:57:45
Schlechte Rezension, starkes Album. Rezension war so zu erwarten.
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