Pur - Achtung
Music Pur / UniversalVÖ: 18.09.2015
Objektiv betrachtet
Irgendwie ist das ja schon unfair. Alle paar Jahre kommt mit schöner Regelmäßigkeit ein neues Pur-Album auf den Markt, und genauso regelmäßig rümpfen die Musikkritiker schon vor dem ersten Hördurchgang die Nase. Dabei hat sicherlich ein Großteil der hiesigen Indie-Nerds schon mal nach fünf Bier die Refrains von Gassenhauern wie "Lena", "Abenteuerland" oder "Ein graues Haar" mitgegrölt. Tut man der Band, die immerhin auch heute noch jährlich vor ausverkauften Haus in der Veltins-Arena spielt, nicht doch irgendwie unrecht? Müsste man als Rezensent nicht objektiver an die Sache heran gehen? Da mag sicher etwas Wahres dran sein, und trotzdem ist "Achtung" selbst unter größtmöglichen Neutralitätsbemühungen ein Riesen-Haufen Grütze geworden. Denn wenn man Hartmut Engler und seiner Truppe auf dieser LP etwas nicht vorwerfen kann, dann die Einhaltung irgendwelcher musikalischen Geschmacksgrenzen.
Der publicitytechnische Aufwind, den die Schwaben durch den Erfolg der Vox-Sendung "Sing meinen Song" erlebt haben, wird dabei direkt auf der aktuellen Single "Wer hält die Welt" zusammen mit dem Show-Schirmherr Xavier Naidoo ausgeschlachtet. Der Song, der hier gleich in zwei Versionen vertreten ist, erinnert mit seinem vor Pathos triefenden Refrain unangenehm an Unheilig und bestätigt zudem textlich die schlimmsten Befürchtungen, die angesichts dieser Kollaboration entstehen. Nach dem einstigen "Abenteuerland" verschlägt es Engler auf dem 15. Studioalbum ins "Heimwehland", dessen käsige 90-Jahre-Weichspülproduktion nur von dem pseudo-lyrischen Songtext in den Schatten gestellt wird. Spätestens wenn Zeilen wie "Reiner Blütenhonig tropft mir auf den Keks / Klebrig süße Finger, abgeleckt" aus den Boxen schallen, ist es vorbei mit dem guten Willen. Seiner Vorliebe für seltsame Wortspiele frönt der Frontmann auch auf Songs wie "Achtung" oder dem schwülstigen Liebeslied "Gemeinsam", in dem er beteuert, sich nur mit seiner Liebsten gemeinsam zu fühlen. Was immer das heißen mag.
Seinen absoluten Tiefpunkt erreicht das Album mit "Lichter aus", das stumpfe Gesellschaftskritik mit einem Sound kombiniert, der wie Avicii für ganz Arme klingt. Das unspektakuläre "Die Welle" ist autogenes Training zum Abgewöhnen, und wer schon immer wissen wollte, wie sich die Höhner ohne den kölschen Dialekt anhören, dem sei "Guter Stern" wärmstens ans Herz gelegt. Nachdem ein Großteil des Albums durchgelaufen ist, wird man dann sogar empfänglich für Durchhalteparolen à la "Bald hast Du es geschafft", wie sie im saftlosen "Land in Sicht" widerholt werden. Der einzige Lichtblick, wenn man es denn so nennen kann, ist die eingängige Ballade "Vermiss dich", die ohne ihre Ladidadapdas wirklich in Ordnung gehen würde. Somit ist den Jungs aus Bietigheim-Bissingen 2015 auch ihr letztes Ass aus dem Ärmel geflutscht: die Gewissheit, dass jedes Album, wie viele Tiefpunkte es auch haben mag, ein paar Hitsingles abwirft, die man auch in zwanzig Jahren noch (nach besagten fünf Bier) mitgrölen kann. Und das ist, selbst wenn man es ganz, ganz, ganz objektiv betrachtet, eine düstere Prognose.
Highlights & Tracklist
Highlights
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Tracklist
- Wer hält die Welt (feat. Xavier Naidoo)
- Heimwehland
- Vermiss Dich
- Achtung
- Guter Stern
- Gemeinsam
- Lichter aus
- Die Welle
- Nimm Dir
- Land in Sicht
- Anni
- Fallschirm
- Manchmal wenn ich traurig bin.
- Achtung (mit Kids)
- Wer hält die Welt
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Darno Übel
2022-12-06 23:24:51
1/10, hui!
@ Armin
2015-09-28 22:20:37
Schreibst Du die wieder bei Pitchfork ab?
Armin
2015-09-28 22:18:47
Übersetzt: alles etwas willkürlich und je nach Veröffentlichung und "Stimmung im Land" dann doch geplant :-).
Genau so ist es.
Vor allem ist natürlich unpassend, dass dadurch sinnvollere Rezensionen wie zum Beispiel zu Ryan Adams' neuem Wurf entfallen.
Die entfällt nicht, die kommt ganz unabhängig davon noch.
@Jandorf
2015-09-28 14:31:28
Wenn ihr schon Pur testet, dann doch bitte auch von jemanden, der mit der Musik was anfangen kann.
Armin hat aber nicht unbegrenzt Zeit...
Aber
2015-09-28 01:14:54
Vor allem ist natürlich unpassend, dass dadurch sinnvollere Rezensionen wie zum Beispiel zu Ryan Adams' neuem Wurf entfallen.
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