Sido - VI

Urban / Universal
VÖ: 04.09.2015
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Unser Paul

Vom Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien bis in die Mitte der Gesellschaft. Das Kunststück, das vor Jahren schon den Ärzten gelungen ist, kann man mittlerweile auch Paul Würdig alias Sido nicht absprechen. Zu Beginn seiner Karriere hätten ihm wohl die Wenigsten Heavy-Rotation-Plätze auf den Playlists der biedersten Radiostationen, den Jurorenposten in einer Castingshow oder die Hochzeit mit Charlotte Engelhardt vorausgesagt. Mit "Astronaut", der ersten Single seines neuen Albums "VI", ist dem ehemaligen Maskenträger nun sogar ein waschechter Nummer-1-Hit geglückt. Da kommt es natürlich besonders gelegen, dass sich der Berliner Rapper hier an allen Ecken und Enden als "Mann aus dem Volk" inszeniert.

Und was zeichnet so einen Mann aus unserer Mitte aus? Na, Verlässlichkeit zum Beispiel, und um genau diese Eigenschaft geht es auch in "Auf ewig", das mit ordentlich Bumms hier den ersten musikalischen Fels in der Brandung darstellt. Sorgen, Nöte und Probleme? Kopf hoch, Sido ist da. Geläutert ist er natürlich auch. "Wenn Du 'ne gelbe Blume siehst, die den Zement durchbricht / Dann denk an mich / Und änder' Dich", heißt es in "Löwenzahn", dem stärksten Song der Platte. Wo früher noch Fuffies durch den Club flogen, wird nun in einem Song wie "Vom Frust der Reichen" Dekadenz-Bashing betrieben. Das ist textlich zwar sehr unterhaltsam, aber nicht sonderlich glaubwürdig, wenn er wenig später "Charlotte gefällt's, wenn ich ihr Pelz kauf" rappt. Der dazugehörige Song heißt übrigens "Ackan", und Faulheit kann man Herrn Würdig bei sechs Alben in zwölf Jahren nun wirklich vorwerfen

Problematisch wird es auf "VI" immer dann, wenn textlich Wege eingeschlagen werden, die in einigen Jahren zu einem Xavier-Naidoo-Feature führen könnten. Das spirituell angehauchte "Zu wahr" oder das pathetische "Zu Hause ist die Welt noch in Ordnung", bei dem die erfolgreiche Kollabo mit Adel Tawil aus Unplugged-Tagen nochmals aufgewärmt wird, sind Negativbeispiele für solcherlei Fehltritte. Auch die eingangs erwähnte Hitsingle "Astronaut" mit dem momentan wohl unvermeidbaren Andreas Bourani ist ein weiterer Beleg für die neue Schwülstigkeit, die ganz klar auf den kleinsten gemeinsamen Nenner setzt. Dass Sidos Stärken dabei eigentlich im Storytelling liegen, stellt er mit Songs wie "Gürtel am Arm" oder "So war das" unter Beweis, in denen sich tolles Songwriting mit einprägsamen Raps paart. Das selbstironische Gepose auf "Eier" weiß ebenfalls zu unterhalten, bleibt aber aufgrund der saudämlichen Skits von Teddy-Comedy-Erfinder Tedros Teclebrhan der einzige komödiantische Höhepunkt der Platte.

Auch das etwas uninspirierte "Selfie" beschwört gegen Ende mit Beteuerungen wie "Ich bin einer von euch" nochmal die Solidarisierung mit seinen Hörern. In einer Musiklandschaft, in der der Maskenträger längst Cro heißt und Leute wie Haftbefehl vom kleinkriminellen Milieu rappen, muss der Familienvater sicherlich eine neue Rolle für sich finden. Als Paul für alle.

(Marco Cianci)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Löwenzahn
  • Eier

Tracklist

  1. Intro
  2. Für ewig
  3. Löwenzahn
  4. Vom Frust der Reichen
  5. Astronaut
  6. Ackan
  7. Zu wahr
  8. Knochen und Fleisch
  9. Gürtel am Arm
  10. Zuhause ist die Welt noch in Ordnung
  11. Selfie
  12. So war das
  13. Entspannt
  14. Zu Strasse
  15. Eier
  16. Kreuzreim Skit
  17. Boombidibyebye
Gesamtspielzeit: 57:43 min

Im Forum kommentieren

Mich wundert ...

2015-09-20 02:31:10


... dass ausgerechnet "Löwenzahn", der textlich doch recht schwach auf der Brust ist, zu den stärksten Songs der Platte gerechnet wird, während der stärkste Song der Platte, "Ackan", praktisch keinerlei Würdigung erfährt.

Außerdem finde ich es traurig, dass gerade die Rap-Rezensionen bei plattentests.de öfter mal lustlos oder schlampig wirken. Im Falle Paul Würdigs:

- "... nun wirklich [nicht] vorwerfen" war wohl gemeint?
- Heißt das Lied nun "Auf ewig" oder "Für ewig"?

Der Xavier-Naidoo-Satz gefällt mir aber trotzdem.

scholz

2015-09-18 08:38:00

Peinlicher und dilettantischer geht's kaum.

Knack.Knack

2015-09-17 17:56:04

Hier bin selbst ich mit meinem Trolllatein am Ende.

Neytiri

2015-09-17 17:41:23

Es gibt Typen, die könnten das beste Album aller Zeiten raus bringen und ich würd trotzdem drauf scheißen.

Armin

2015-09-16 22:06:22

Frisch rezensiert!

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