Hecta - The diet

City Slang / Universal
VÖ: 18.09.2015
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Schmalkost

Warum nicht? Kurt Wagner ist schließlich ein vielseitiger und experimentierfreudiger Musiker. Ist doch klar, dass so einer mit den überwiegend sanftmütigen Schmeichlern seiner Hausband Lambchop auf Dauer nicht ausgelastet ist. Schon 2005 hat er sich aus dem Korsett gezwängt und mit Hands Off Cuba einen Ausflug auf elektronisches Terrain gemacht. Auch eine Kollaboration mit Morcheeba und zuletzt auch einzelne Lambchop-Songs – etwa auf "Mr. M" – deuteten in diese Richtung. Zehn Jahre später nun nimmt er unter dem Projektnamen Hecta diese Fährte wieder auf und legt mit "The diet" gleich ein ganzes Electro-Album vor. Mit an Bord sind die alten Bandkollegen Ryan Norris und Scott Martin. Produziert haben Hecta zusammen mit Jeremy Ferguson. Morgan Geist und John McEntire (The Sea And Cake, Tortoise) haben den Mix übernommen.

Inspiriert wurde Wagner durch die Lektüre von "Love saves the day: A history of American dance music culture 1970-1979" von Tim Lawrence, das die Anfänge der New Yorker Club-Szene während der Siebziger Jahre beschreibt. Wagner entdeckte Parallelen zwischen dieser Bewegung und der Indie-Rock-Szene, in der er selbst aufwuchs – und begann, sich intensiver mit dieser Art von Musik zu beschäftigen und schließlich auch eigene Songs zu schreiben. Die neun Stücke dieses Albums seien weder Americana noch House, Techno, Trap, Juke oder Blaze, lässt Wagner über das PR-Blatt wissen. Sie sollen in erster Linie Spaß machen.

Doch genau das gelingt ihnen nur sehr mühsam. Der Opener "Till someone gets hurt" bringt die ganze Problematik dieser Platte auf den Punkt: Die Sounds klingen antiquiert und oft tiefenlos. Das Songwriting ist unausgegoren, verbleibt zu oft im Skizzenhaften. Und Wagners Stimme, gemacht für den eindringlichen Vortrag, wirkt in diesem Kontext größtenteils deplaziert und kraftlos, ja alt. Besonders deutlich wird dies in "The concept", "Change is in our pocket" und "Give us your names", die geradewegs ins Nichts verpuffen. Doch es gibt auch Lichtblicke. "Sympathy for the auto industry" ist ein düster-urbaner Flow, der vor allem bei voller Lautstärke seine Qualitäten ausspielt. Der zweistimmige Gesang im Refrain, die eingängige Melodie, die Synthie-Hook im Song-Finale – macht in der Summe ein rundes Ergebnis. Weiterer Glanzpunkt ist "We are glistening", das seinen Reiz aus der Kombination aus kalten Percussions und warmen Synthiebläsern gewinnt. Auch "Prettyghetto" – kompositorisch kein großer Wurf, aber rhythmisch ausgetüftelt – bringt den Fuß zum Mitwippen. Es sind versöhnliche Momente auf einer ansonsten kaltschultrigen Platte.

Wagner wird auch in Zukunft Ausflüge auf fremdes Terrain unternehmen. Solange er auf seinen Streifzügen durch die elektronische Musik Spaß und Inspiration für weitere Großtaten findet, ist dies auch genau richtig so. Es ist durchaus keine Qual, sich verstärkt elektronische oder perkussive Elemente im Klang-Kosmos von Lambchop vorzustellen. Auch die Art des Storytellings könnte durch die Hecta-Erfahrung positiv beeinflusst werden. Gute Ansätze dafür sind hier zu hören. "The diet" aber ist, was der Name vermuten lässt: Musik, die nach Genussverzicht klingt. Schmalkost eben.

(Sebastian Meißner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sympathy for the auto industry
  • We are glistening

Tracklist

  1. Till someone gets hurt
  2. Sympathy for the auto industry
  3. Prettyghetto
  4. Like you're worth it
  5. The concept
  6. Change is in our pocket
  7. We are glistening
  8. Give us your names
  9. We bitched we bovvered and we buildered
Gesamtspielzeit: 37:38 min

Im Forum kommentieren

Herder

2015-10-30 17:59:50

Höre ich gerade, gar nicht mal sooo schlecht. Aber ich mag Wagners Stimme einfach auch sehr gerne.
Trotzdem werde ich wohl öfters zu den vielen tollen Lambchop-Alben greifen...

Armin

2015-09-09 22:09:21

Frisch rezensiert!

Meinungen?

Armin

2015-08-12 19:35:10

Liebe Freunde,

sie klingt ein bisschen wie ein New Order Song, der mit Console nach einer durchzechten Nacht aufgenommen wurde, ist aber die neue HeCTA Single (koennen wir "Hit" sagen?) »Sympathy For The Auto Industry«. HeCTA ist das Electronic Projekt von Kurt Wagner, Ryan Norris und Scott Martin, alles Mitglieder der geliebten Band Lambchop, die sich mal ganz abseits von ihren Country Wurzeln mit Disco und Soul beschaeftigen, soweit nix Neues, das kennt man ja seit "Gimme Your Love" (1998) und spaetestens "Nixon" (2000), aber HeCTA klingt wirklich radikal anders. »Sympathy For The Auto Industry« ist eine innovative Spielerei mit modernen und klassischen Pop Elementen, die mit Kurt Wagners Stimme eine unerwartet logische und abgerundete, vor allem aber aussergewoehnliche Verbindung eingeht.

HIER ENTLANG:
https://soundcloud.com/hectaband/sympathy-for-the-auto-industry/s-DwXn0

Es wird nur eine exklusive HeCTA Liveshow in EUROPA geben, und zwar dieses Wochenende am 15.08. auf unserem 25 Jahre City Slang Abend im Rahmen der Ruhrtriennale in Bochum (u.a. mit THE NOTWIST und Headliner CARIBOU). Weitere Infos gibt es hier: ruhrtriennale.de/de/ritournelle-2.

Mit »Till Someone Gets Hurt« haben wir bereits im Juni einen Song vom kommenden Album vorgestellt. Der Guardian schreibt: "Former Lambchop Members come over all Trent Reznor on a daylight Berghain bender with this murky techno thumper".

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