Miley Cyrus - Miley Cyrus & her dead petz

Smiley Miley
VÖ: 30.08.2015
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Treibt gut

"Miley Cyrus floats in a swimming pool in Toluca Lake / And you're the best girl I've ever had," orakelt Nick Cave am Ende seines enigmatischen "Higgs Boson blues". Von Mr. Cave in einem Song erwähnt zu werden, ist ja so etwas wie ein Relevanz-Ritterschlag und lässt auch den größten Pop-Pessimisten aufhorchen: Ist doch etwas dran an diesem vorschlaghammerleckenden, twerkenden Mädchen, das in den letzten Jahren permanent durch die Boulevardmedien geisterte? Ihre Musik verblasste ja immer ein bisschen hinter einer Parade aus Brüsten, Zungen, Hintern und bizarren Bühnenshows – oder dümpelte am seichten Ende des Chart-Pools vor sich hin, wie Kollege Bremmer einmal konstatierte. Ihr neues Album "Miley Cyrus & her dead petz", das als kostenfreier Stream überraschend auf ihrer Website veröffentlicht wurde, könnte das jetzt ändern. Auch dank kredibler Gäste wie Ariel Pink, Big Sean oder Sarah Barthel von Phantogram.

Zwar hat der Einstieg "Dooo it!" gewaltiges Nervpotenzial, wenn überdrehter Dirty South Beat auf extrem übersteuerte Stimme trifft: Das Ergebnis klingt so klebrig und magenunfreundlich wie das quietschbunte Zuckerstreuselbad, in dem man Cyrus auf dem Cover versinken sieht. Aber schon mit dem zweiten Song "Karen don't be sad" legt die 22-Jährige den Schalter komplett um und man hört den Einfluss der Flaming Lips, mit denen sich die Amerikanerin ins Studio begeben hat: Statt Verzerrung und Dosenbeat gibt es deshalb auch auf "The Floyd song" und "Something about space dude" verträumte Folkgitarren und psychedelische Klangteppiche, die an Wolf Alice, Feist und Air erinnern. Statt ihre Stimme im ewigen Autotune ersaufen zu lassen, bleibt Cyrus hier lieber natürlich – und das steht ihr.

So ganz vom Pop-Budenzauber trennen kann sie sich aber nicht, und so kommen "Fuckin fucked up" und "BB talk" wieder mit platten R'n'B-Beats, expliziten Texten und Pitch-Experimenten daher, die man schon auf dem Vorgänger "Bangerz" ad nauseam vorgesetzt bekam. Bei "Fweaky" denkt man unweigerlich an das singende Sedativum Lana Del Rey, wird dann unsanft geweckt von "Bang me box", das dem Hörer ungefragt Textzeilen wie "There ain't nothing that I'm scared to try / I can be on top or if you like it I just lie here" wie ein entblößtes Genital ins Gesicht wedelt. Befreite weibliche Sexualität in allen Ehren, aber dann doch lieber nach Art von PJ Harveys Vulva-Hymne "Sheela-na-gig". Auf was das folgende "Milky milky milk" anspielt, soll darum an dieser Stelle besser nicht erörtert werden. Mit "I get so scared" und "Evil is but a shadow" taucht Cyrus allerdings vom FKK-Whirlpool in etwas dunklere Gewässer ab und entwirft beklemmende Psychogramme à la Kendrick Lamar. Dazwischen findet sich eine ganze Reihe seltsamer Klangexperimente und Songfragmente, die zumeist eher ratlos machen.

Ganz am Schluss schwimmt sich Cyrus aber doch noch einmal frei vom ewigen Diktat der Provokation und bringt mit "Twinkle song", einer melancholischen Ballade, in der sie die ganze Größe ihrer Stimme ausfährt, das Album zu einem würdigen Ende. Nach den wahnsinnigen 92 Minuten von "Miley Cyrus & her dead petz" muss man erst einmal Luft holen, die Reizüberflutung sacken lassen und in der Realität ankommen. Auch ihr neues Werk ist ein bisschen zu grell, ein bisschen zu Collage, ein bisschen zu Camp. Aber genau dieses Zuviel, dieses Verweigern von Grenzen, macht Cyrus wiederum zur perfekten Ikone und Projektionsfläche unserer post-definitorischen Zeit. Und so wird dieses Mädchen, gleich dem flottierenden Signifikant, noch eine ganze Weile im großen Pool unseres kollektiven Bewusstseins treiben. So viel ist sicher.

(Martina Bähring)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Karen don't be sad
  • The Floyd song
  • Twinkle song

Tracklist

  1. Dooo it!
  2. Karen don't be sad
  3. The Floyd song (Sunrise)
  4. Something about space dude
  5. Space boots
  6. Fuckin fucked up
  7. BB talk
  8. Fweaky
  9. Bang me box
  10. Milky milky milk
  11. Cyrus skies
  12. Slab of butter (featuring Sarah Barthel of Phantogram)
  13. I'm so drunk
  14. I forgive yiew
  15. I get so scared
  16. Lighter
  17. Tangerine (featuring Big Sean)
  18. Tiger dreams (featuring Ariel Pink)
  19. Evil is but a shadow
  20. 1 Sun
  21. Pablow the blowfish
  22. Miley Tibetan bowlzzz
  23. Twinkle song
Gesamtspielzeit: 92:06 min

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The MACHINA of God

2023-03-23 18:57:17

(sorry für den Grammatik-Salat, ich tippe recht impulsiv und checke dann nicht mehr)

:D

The MACHINA of God

2023-03-23 18:50:27

Heute mal wieder gehört. Und sogar noch weniger "Ausfälle" als in Erinnerung. Und dass "I'm so scared" so schön ist, hatte ich irgendwie vergessen. Echt eine fast durchweg wudnerbare Platte. Raus könnten für mich vor allem die mir paar der "pubertären" der 1. Hälfte wie der Opener, "Milky milk" und sowas. Die Strophen von "BB Talk" sind auch etwas cringy, aber der grandiose Refrain macht den Song für mich trotzdem zum Hightlight. Auch die letzten beiden mag ich, "Pablo" finde ihc sogar gleichzeitig berührend und witzig. Gesamt gebe ihc so 7,6/10, die sagen wir 5-6 schwächsten Stücke raus und ich wäre bei ner 8,5/10.

Ansonsten Highlights:
Karen, Slab of butter, I got so scared, Lighter, Cyrus skies

Felix H

2022-02-19 12:36:10

Schade, dass die ursprüngliche Reihenfolge (mit "Cyrus Skies" auf 11 und "Bowlzzz" und "Pablow" vertauscht) nicht beibehalten wurde, fand ich etwas ausgeglichener.

"Bowlzzz" wäre sonst ein guter Opener, ansonsten hab ich fast die gleichen Streichkandidaten. Bei mir wär's eher "Pablow" runter, "Evil" weiterhin drauf.

MopedTobias (Marvin)

2022-02-19 10:22:01

Für mich ist das auch so schon mindestens in dem Bereich, in Relation zur Länge sind da doch wenige richtige Gurken drauf (eigentlich nur Opener, "Fweaky", "Milk", "Evil" und die Interludes). Ohne die geht das eher in Richtung starke 8.

Felix H

2022-02-19 09:51:57

Finde ich auch sehr seltsam. Klar ist das Ding zu lang, aber auf ca. eine Stunde gekürzt wäre das locker eine 7 für mich.

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