Schnipo Schranke - Satt

Buback / Indigo
VÖ: 04.09.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Derbe ehrlich

"Fürze", "Arschbacken", "Genitalbereich": Nicht gerade das klassische Vokabular für einen Sommerhit. Und doch hat der Song "Pisse" von Schnipo Schranke letztes Jahr mit eben dieser Sprache für mächtig viel Aufsehen gesorgt. Wer eine Ulk-Nummer vermutete, irrte gewaltig. Hinter derben Worten stecken tief verletzte Gefühle, ungeschminkt und schonungslos vorgetragen, dass es beim Hören eher schmerzt als belustigt. Aber eben auch befreit. Von dem Zwang zum Beispiel, mit Liebeskummer souverän umgehen zu müssen. Gut möglich, dass "Pisse" gar der ehrlichste Song ist, der jemals über das Verlassenwerden geschrieben wurde.

Von Liebe und ihren Folgen handeln auch die meisten Songs ihres ersten Albums "Satt". Von allen Seiten beleuchten Friederike Ernst und Daniela Reis das große Gefühl. Trauen sich mal ganz nah ran, ergreifen dann wieder die Flucht. Stets aber bleiben sie ihrem eigenwilligen Sprachwitz treu: "Ich würd Dich gern mal treffen, doch ich werf immer daneben" und "Ich küss Dich tot, trotz offiziellem Mordverbot", singen sie in "Tot", einer eingängigen Synthie-Pop-Nummer, die sich als Single geradezu aufdrängt. "Du und ich für immer vereint / Oh Baby, küss mich da, wo die Sonne nie scheint" wiederum heißt es in der beschwingten Ballade "Intensiv". Im kabarettistischen "Cluburlaub" wird anfangs noch existenziell philosophiert, bevor es später schmutzig zur Sache geht: "Ich hasse mein Leben, denn es stiehlt mir meine Zeit / Ich suche ständig nach mir selbst, doch da ist nichts weit und breit." Überall lauern sie, diese Zeilen, die man sich am liebsten auf die Arme kritzeln will, um sie nie mehr zu vergessen. Diese Bilder, die den Kopf wachrütteln und diebische Freude auslösen, weil sie so zutreffend sind und dabei so herrlich unverbraucht. Das klamauikge "Gute Reise" – ein Good-bye an eine gebrauchte Tamponade (Auszug: "Doch ganz tief unter diesem Städtchen / Findest Du ein neues Mädchen / Bon voyage / Am Arsch") – beendet ein beachtliches Debüt.

Musikalisch sind die Stücke scheinbar einfach gehalten. Klavier, Schlagzeug, zwei Stimmen: aus die Maus. Doch die Arrangements haben es durchaus in sich. Zwischen 80s-Synthie-Pop und 70s-Avantgarde bewegen sich die zwölf Songs, die von der Goldenen Zitrone Ted Gaier produziert wurden. Und so ist es mit "Satt" genauso wie mit "Pisse": Schnipo Schranke verteilen Weisheiten wie Kusshände, spenden Trost und Hoffnung, sind peinlich und erhaben. Indem sie ihre eigenen Niederlagen kultivieren und sich nackt machen, werden sie zu engen Freunden. Mehr kann Pop gar nicht schaffen. Toll!

(Sebastian Meißner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tot
  • Pisse
  • Cluburlaub

Tracklist

  1. Intro
  2. Schnipo song
  3. Schrank
  4. Tot
  5. Pisse
  6. Ja nun
  7. Scherz
  8. Herzinfarkt
  9. Intensiv
  10. Störenfried
  11. Cluburlaub
  12. Tamponade (Gute Reise)
Gesamtspielzeit: 37:38 min

Im Forum kommentieren

derdiedas

2015-11-03 21:39:12

Die Reime müssen so sein!
Ist vielleicht nicht die anspruchsvollste Musik, aber mir machts im Moment Spaß (gut, ich hatte grad ne Mars Volta Phase, da ist das wohl der Ausgleich ;)
Und mir sind die mit ihrer Nerdigkeit, wie sie in ihren Interviews rüberkommt, sympathisch. Juli, Silbermond oder so warn doch viel durchgestylter

@Ich trau mich nicht den hier downzuloaden

2015-09-15 21:59:46

Morgen,Elin!

Ich trau mich nicht den hier downzuladen

2015-09-15 21:41:11

Bands wie Juli, Silbermond, Sportfreunde Stiller, Madsen etc. hatten damals wie heute die besseren Texte aber Schnipo Schranke die bessere Technik. Ich würde 3,75 Punkte von einem Marienkäfer vergeben. Natürlich ohne ihn zu schaden. Ich esse jetzt auch mehr Bananen seitdem ich das Album SATT besitze. Albern ist das Album weniger, eher unterstößig philosophisch mit einem Hauch Ästhetik und viel Wahrheit und auch Lüge. Etwas geheuchelt, dennoch anti-anti-anti-... Fazit: Es hat gefällt durch Höhen und Tiefen. Vergleiche mit Charlotte Roche und so sind so so dumm wie Banane. Aber wer hat was anderes erwartet. Flöte ist gut.

Nörgler

2015-09-14 11:15:47

Schön wären auch mal Begründungen statt immer nur Behauptungen, Herr Kapitän

captain kidd

2015-09-12 10:28:19

Das Interview ist echt ganz gut. Die Musik allerdings einfach scheiße.

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