Joachim Witt - Ich
Oblivion / SPVVÖ: 28.08.2015
Er
Es ist ein Leichtes, Joachim Witt mies zu finden. Nicht ohne Grund sahnt der alte Brummbär Album für Album die hierzuseits fast schon sakrosankte 1/10 ab. Seine Texte entsprechen in simpelster Sprache vorgetragener Altherrenlyrik der wahrlich übelsten Sorte, seine Musik balanciert zwischen biederer Härte und kreuzbraver Nabelschau und trifft damit ins Herz der deutschen Befindlichkeitsfixiertheit zwischen Griechenland-Krise und Riester-Rente. Wenn nun ein solcher Künstler eine Platte mit dem bezeichnenden Titel "Ich" veröffentlicht, dann darf man sich also als Außenstehender auf etwas ganz besonders Gruseliges gefasst machen, symbolisiert dieser selbstreferenzielle Ansatz vermutlich doch ein Ankommen bei sich selbst, was uns im Falle Witts freilich nichts Gutes erahnen lässt.
"Ich" ist das 15. Studioalbum des ehemaligen NDW-Stars, der seit einigen Jahren sein Wohl in der Neuen Deutschen Härte gefunden zu haben scheint. Doch wie auch deren Vorzeigevertreter Oomph! oder Unheilig drängt es den alten Recken zunehmend in seichte, schlagerhafte Gefilde. Für seine Texte setzt der Sänger ein weiteres Mal auf schlimme Plattitüden, die er gewohnt missmutig ins Mikrofon grummelt. Dass er dabei oftmals wie Obersympath Benjamin Blümchen klingt, liest sich netter als es in Wahrheit gemeint ist. Die von ihm verwendeten Metaphern sind in der Regel von solch abstruser Unschärfe, dass die Message, die sich hinter dem ganzen kitschverklebten Quark vielleicht verbirgt, natürlich überhaupt nicht zu umreißen ist. Was uns der Künstler mit den folgenden Zeilen sagen möchte, bleibt uns ganz und gar schleierhaft: "Zeit steht für Unendlichkeit / Endlich sind die Sterne und ihr Wurmbefall / Schnöde Microchips im All." Darauf erstmal ein Zuckerstückchen von Otto, Karla Kolumna oder Zoowärter Karl.
Furchtbar sind auch die unerträglichen Spoken-Word-Passagen, mit deren Hilfe Witt seine Stammtisch-Esoterik möglichst bedeutungsschwanger unters einfache Volk bringen möchte. "Alles was ich bin" schießt mit seinen peinlichen Weisheiten nicht nur Vögel, sondern ganze Satelliten und Raketen vom Himmel, vielleicht sogar wurmbefallene Sterne: "In mir hast Du wahrscheinlich das gesehen / Was Dich schon immer fasziniert hat / Den Hauch der Freiheit / Den Musik und die Kunst vermitteln können." Wenn Witts Musik nun also Freiheit bedeutet, dann wählen wir ja lieber das Gegenteil. "Olé (Klub)" gibt sich weniger friedfertig: Auf einen höchst stumpfen Industrial-Beat rülpst Witt seinen kulturpessimistischen Sermon, der natürlich nur ungern auf einfachste Reimschemata verzichtet: "Trauerflor im Internet / Und jeder pisst vor Angst ins Bett." Wahrscheinlicher sind hingegen Tränen, die vergossen werden, ob dieser gruselig-dödeligen Unlyrik.
"Ich" ist ein auf ganzer Linie unerträgliches Album. Mit jedem Stück gelingt Witt die Meisterleistung sämtliche Erwartungen oder Mindestniveaus zu unterbieten, was mal auf die furchtbaren Texte, ein andermal auf die dumpfe Musik, meistens aber auf beides gleichermaßen zurückzuführen ist. Wenn er es doch wenigstens ironisch meinen würde. Doch Witt steht hinter diesem dampfenden Haufen Musik und möchte ihn mit himmlischem Ernst als wahre Kunst verkaufen. Als Innenansicht eines Visionärs. Als Logbucheinträge eines weisen Kapitäns, der jeglichen äußeren Widrigkeiten trotzt. Dass er dabei seinen wackeligen Kutter zielsicher ins musikalische Brackwasser lenkt, spricht halt wahrlich nicht für ihn.
Highlights & Tracklist
Highlights
- -
Tracklist
- Über das Meer
- Was soll ich Dir sagen
- Warten auf Wunder
- Bitte geh mir aus dem Weg
- Hände hoch
- Lagerfeuer
- Wieviel mal noch
- Tod oder Leben
- 1971 oder ein Mädchen aus Amerika
- Es wirbeln die Äste
- Alles was ich bin
- Olé (Klub)
- Nachtflug
Im Forum kommentieren
sancho
2015-09-12 05:21:53
ich finde das album gut
pancho
2015-09-10 10:19:21
finde ich auch gut so. so hast du die chance, dich selbst öffentlich zu blamieren.
Meine Meinung
2015-09-10 10:09:02
@Demon Cleaner
So ist es. Wundere mich nur, dass ihr es noch nicht gelöscht habt.
Demon Cleaner
2015-09-10 08:38:18
Meine Meinung
Deine Meinung.
Meine Meinung
2015-09-10 08:30:59
So schlecht ist die Platte nun wirklich nicht. Es ist wohl eher eine Frage der Einstellung.
Das Werk ist in der Tat krude, man muss es mögen, soviel ist richtig.
Aber das es schlechtere MUSIK gibt, steht für mich außer Frage.
Was so in den Charts läuft ist auf keinen Fall musikalisch gesehen besser als der Witt-Output. Nur im Regelfall mit noch weniger Hirn.
Es mögen schräge Gedanken sein bei Witt, und eine schräge Ausdrucksweise.
Aber es sind wenigstens Gedanken und Ausdrucksweisen. Und das ist imho schon mehr Substanz als der so gehypte Mainstream auf den Musiksendern zu bieten hat.
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