Spock's Beard - The oblivion particle

InsideOut / Universal
VÖ: 21.08.2015
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Bartwuchs

Es ist ja so: Im Grunde genommen haben sich Spock's Beard nie wirklich vom Abgang ihres so charismatischen Songschreibers und Frontmann Neal Morse erholen können. Zu groß war dessen Einfluss, die überschäumende Kreativität, zu groß der Respekt der Bandkollegen, um sich wirklich von ihm emanzipieren zu können. Folgerichtig produzierten die Amerikaner, die einst die einzig legitimen Nachfolger von Yes oder Genesis zu sein schienen, Platte um Platte auf der Suche nach der neuen Identität – und blieben letztlich immer orientierungslos. Nur: Morse verließ die Band 2002. Und wenn Spock's Beard irgendwann einmal wieder mehr sein wollen als ihre eigene Tribute-Band, muss allmählich dann doch einmal Zählbares herbei.

Insofern muss der Abgang von Drummer und Sänger Nick d'Virgilio in Richtung des Cirque du Soleil 2011 im Nachhinein als Glücksfall gewertet werden. Denn insbesondere sein Nachfolger Ted Leonard, der hauptberuflich bei den Kollegen von Enchant am Mikrophon steht, sorgte dafür, dass "Brief nocturnes and dreamless sleep" zwar noch nicht wirklich in alter Brillanz glänzte, aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung sein sollte. Und genau in diese Richtung läuft – glücklicherweise, so viel steht schnell fest – auch "The oblivion particle". Denn "Tides of time" bewegt sich nach kurzer Ouvertüre im so vertrauten Stil der Bandklassiker zunächst hin zu einem feinen Ohrenschmeichler – allerdings nur, um bei genauerem Hinhören feinste Details zu offenbaren. Wie die absurden Taktwechsel von Drummer Jimmy Keegan. Oder der vermeintliche Kuschel-Pop-Ausflug im Mittelteil, der nur dazu dient, von einem großartigen Instrumentalpart zerstückelt zu werden. Frickeln, ohne allzusehr nach Gefrickel zu klingen – genau das hat Spock's Beard immer ausgezeichnet.

Ebendiese Eingängigkeit, ohne die progressiven Wege zu verlassen, hatten Spock's Beard allzu lange außer Acht gelassen. Einen Pop-Progger mit mehr als nur dezentem Seventies-Einschlag wie "Bennett built a time machine" beispielsweise musste man auf den letzten Platten mit der Lupe suchen. Fast möchte man der Band ein beherztes "Geht doch!" zurufen, wenn sich die Hooks aus dem ersten Teil in Ohr und Hirn einnisten, um begeistert der Instrumentalfraktion im zweiten Teil beim Ausrasten zuzuhören. Apropos ausrasten: Genau das möchte man bei "A better way to fly" nach allen Regeln der Kunst tatsächlich tun: Auf neun Minuten breiten Spock's Beard endlich einmal wieder das ganze Arsenal ihres Könnens aus, ohne auch nur eine Sekunde zu langweilen, immer wieder gespickt mit feinen Spielereien und kleinen Tricks, die bei beiläufigem Hören unentdeckt vorbeirauschen.

In der Tat: "The oblivion particle" zeigt Spock's Beard in einer Form, wie sie angesichts diverser schwacher Alben in den Jahren direkt nach Neal Morses Abgang kaum noch zu erwarten war. Spielfreude ohne Instrumentalonanie, feine Ideen, das gefällt dem Progger-Herz. Und doch gibt es leider immer doch den einen oder anderen Moment, der aufkeimende Euphorie nicht nur dämpft, sondern sogar Gefahr birgt, dass "The oblivion particle" verkannt werden könnte. "Minion" beispielsweise ist schreckliche Prog-Dutzendware, hätte allenfalls noch als Gag taugen können, wenn es tatsächlich um die gelben Bananenköppe gegangen wäre. Und auch der Stadionpop von "The center line" liegt schwer im Magen, zumal der Song eh zwischen den beiden feinen Longtracks untergeht. Letztlich jedoch ist diese Platte endlich das, was schon längst erhofft wurde: Überaus gelungener Prog, obschon nicht mit der Fulminanz der Frühwerke ausgestattet. Herausragende instrumentale Technik gepaart mit zumeist gelungenem Songwriting. Kurz: Die längst überfällige Emanzipation von der Morse-Ära. Willkommen zurück.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tides of time
  • Bennett built a time machine
  • A better way to fly

Tracklist

  1. Tides of time
  2. Minion
  3. Hell's not enough
  4. Bennett built a time machine
  5. Get out while you can
  6. A better way to fly
  7. The center line
  8. To be free again
  9. Disappear
Gesamtspielzeit: 66:13 min

Im Forum kommentieren

manfredson

2015-08-27 13:13:50

Hm. Mich berührt es nicht. Überhaupt nicht. Mit "X" und "Brief Nocturnes and Dreamless Sleep" hatten sie für mich endlich zu alter Form zurückgefunden, aber "The Oblivion Particle" wirkt auf mich irgendwie viel zu verkrampft. Als hätte man gleichzeitig versucht, auf Nummer Sicher zu gehen, und trotzdem immer wieder schrägen Kram dazwischenzuwerfen, um eine Entwicklung vorgaukeln zu können. Alles, was man auf diesem Album hört - z.B. den Einsatz der Orgel, Schlagzeug/Bass-Breaks, den typischen Horn-Synthie, ... - gab es früher schonmal besser und stimmiger. Die Songstrukturen wirken wirr, die Gesangslinien sind größtenteils zum Vergessen. Dafür wird viel zu oft auf Disharmonien herumgeritten. Nein, mein Fall ist das Ding absolut nicht.

oldbrownshoe

2015-08-27 12:09:41

Das ist tatsächlich eine ziemlich unpassende Rezension...gernerell hat Herr Bellmann meines Erachtens nach für den symphonischen Progbereich leider nicht viel übrig...

kack rezi

2015-08-27 11:29:55

kack rezi

Jürgen

2015-08-27 11:19:26

Weiß Herr Bellmann eigentlich noch, was er wann rezensiert hat? Bereits 2006 hat er die Bärte mit ihrem selbstbetitelten Album zurück in der Gegenwart begrüßt und 7 Punkte verteilt - zu Recht!
Was soll also 13 Jahre nach dem Weggang von Neal Morse der ständige Vergleich mit dieser damals völlig festgefahrenen Aera? Jedes Album klang doch fast gleich, was Herr Morse mit seinen Solowerken konsequent fortgeführt hat. Bei SB bekommt man wenigstens so etwas wie Abwechslung.

Armin

2015-08-25 21:52:14

Frisch rezensiert!

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