BOY - We were here

Grönland / Rough Trade
VÖ: 21.08.2015
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Scheinwerferflucht

Manchmal nimmt das Leben surreale Wendungen. Es gibt sie immer wieder: die Dinge, mit denen man nicht im Traum gerechnet hat. Die aber dann, mit einer gewissen Zeit im Rückspiegel, vielleicht doch gar nicht so unlogisch sind. Geht es um solche Begebenheiten, ist BOYs "Little numbers", dieser unscheinbare Gute-Laune-Hüpfer über eine Mobilfunknummer, der nach und nach über sich hinauswuchs, ein Paradebeispiel. Natürlich bekam das Stück in Funk und Fernsehen ausgiebig Rückenwind von der damaligen, wenig subitlen Werbekampagne der großen deutschen Airline mit dem gelben Vogel. An Sonja Glass und Valeska Steiner alias BOY kam wirklich niemand vorbei: Keine summende Lippe, kein tanzendes Bein, kein spießiges Straßenfest und auch keine schwitzige Indie-Party. Und hätte sich im Sommer und Herbst 2011 im rein sportlichen Sinne nicht ein schwarzes Loch aufgetan, hätte es in diesem Jahr ein größeres Fußballturnier oder Olympische Spiele gegeben – man mag sich gar nicht ausmalen, wie massiv dieses Liedchen seinen Siegeszug ausgeweitet hätte – sofern weit über 14 Millionen Klicks auf YouTube noch nicht genug sind.

Einen ebensolchen führte die Band auch bei der Tournee zu ihrem Debüt "Mutual friends" fort. Zum Großteil wurden eher kleine bis mittlere Venues gebucht, doch natürlich kamen die Menschen in Stadionscharen und rannten den beiden sympathisch-zurückhaltenenden Musikerinnen förmlich die Türen ein: Überwältigt von dieser Zuneignung, von so viel Liebe für ihre Musik, aber auch ausgelaugt von den Tagen des Rummels zogen sich BOY über zwei Jahre zurück, um runterzukommen, das Erlebte sacken zu lassen. Und um neue Lieder zu schreiben, wie etwa den Titelsong ihrer zweiten Platte "We were here", der viele Begegnungen aus dieser spannenden Zeit noch einmal aufgreift und im Doppelpack mit dem ebenfalls nachdenklich-schönen "Rivers or oceans" gleichzeitig die musikalische Richtung für BOY anno 2015 vorgibt: Raus aus dem Scheinwerferlicht! Die ungetrübten Lichtstrahlen lieber denen lassen, die sie nötig haben. Die Nacht und ihr Lichtermeer in der Stadt kann schließlich auch verstörend-schön sein, gerade dann, wenn man aus einer gewissen Entfernung, mit neuer innerer Ruhe beobachtet. "We were here" lebt von ebenjener schüchtern-verträumten Stimmung, vom Moment, wenn man den Vorhang des Hotelzimmers zur Seite schiebt und scheue Blicke für das Treiben da draußen übrig hat.

Zu hören ist diese stilistische Pointierung nicht nur im feinen "Hotel", sondern auch in vielen anderen Momenten dieser Platte, wie im romantisch-melancholischen "New York", einem der schönsten Stücke des Albums, das nicht nur die Zeile "And the truth is / Anywhere with you / Could be New York" in den Gehörgang pflanzt. Im Vergleich zum Erstling gibt es weniger flotten Gitarrenpop, mehr Synthies und Keyboardflächen, und nicht zuletzt steht Steiners zarte Stimme noch ein Stück mehr im Mittelpunkt der Produktion. Dennoch ist es fein, wenn das Duo mit "Fear" mal ein wenig euphorischer zu Werke geht, denn auch auf der halbdunklen Tanzfläche lässt es sich prima im Beat versinken. Zudem klingt das Stück konsequenter als etwa "Hit my heart" oder "Flames", bei denen die ansonsten wohlige Stimmung schon fast zu einem Mittagsschläfchen animiert. Dass BOY aber auch ganz still richtig gut sind, zeigt das feine, beinahe komplett pur und akustisch gehaltene "Into the wild" und lenkt gleichzeitig davon ab, dass die beiden Wahl-Hamburgerinnen auf "We were here" die offensichtlichen Radio-Hits glatt vergessen haben. Macht nichts, war Absicht. 2011 ist schließlich längst vorbei.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • New York
  • Fear
  • Into the wild

Tracklist

  1. We were here
  2. Rivers or oceans
  3. Hit my heart
  4. New York
  5. Hotel
  6. No sleep
  7. Fear
  8. Flames
  9. Into the wild
Gesamtspielzeit: 34:54 min

Im Forum kommentieren

Klaus

2021-05-24 19:40:49

Neuer Song am 28.5.

Dan

2015-11-26 16:49:00


Immer noch schönes Album der Damen. Kann auch international gesehen gut standhalten, finde ich.

BumBum

2015-11-26 06:50:47

Danke @Marsellus

Yep - Martin Gallop war es. Kannte ich vorher noch net, aber hat es sehr locker & unterhaltsam gemacht.
Dazu ist die CD wirklich klasse - lief daheim nun schön öfters als Hintergrundmusik. Perfekt!
Schöne langsam Country/Pop Mischung und er hat ne ganz gute Stimme! :)

Marsellus

2015-11-26 03:17:16

Der Sänger heißt Martin Gallop. War auch in München dabei. Der Typ ist echt ganz witzig. Spielt im Januar noch ein paar Konzerte:

14.01.2016 - München (D), Milla
21.01.2016 - Olten (CH), Next Stop
22.01.2016 - Ravensburg (D), Zehntscheuer
23.01.2016 - Darmstadt (D), Theater im Pädagog

Aber

2015-11-24 17:33:50

Schau' mal auf deiner CD nach, wie der Sänger hieß. Würde mich interessieren.

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