Madsen - Kompass

Four / Sony
VÖ: 14.08.2015
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Frieden im Krieg

Ein einziges Mal, einmal ganz kurz kratzten Madsen an der künstlerischen Relevanz. Anno 2008, um genau zu sein. Mit ihrem dritten Studio-Album lieferte die Truppe um das Drei-Brüder-Gespann Madsen erstmals und ja, leider auch letztmals eine Platte, die neben Rock-Ramsch und Pop-Plunder auch einmal so etwas wie ein Konzept oder gar eine Message aufs Tablett brachte. Der Titel des angesprochenen Werks – die Überschrift greift ihn schon auf: "Frieden im Krieg". Sieben Jahre und zwei Studioalben, "Labyrinth" und "Wo es beginnt", später untermauert die Band aus dem Wendland mit "Kompass" ein weiteres Mal, dass hier für den Musikliebhaber wenig bis nichts abzugreifen ist, denn Madsen scheinen ihren Frieden geschlossen zu haben mit der eigenen musikalischen Irrelevanz, lassen sich erst gar nicht ein auf den Krieg mit den Eigensynapsen, die ja vielleicht doch das ein oder andere Wertvolle hervorbringen könnten.

Jetzt mal unabhängig davon, sympathisch sind die Typen ja volle Kanne, gerade der Bandkopf und Mini-Schreihals Sebastian Madsen ist ein überaus gewinnender Spaßvogel, dem man gerne zusieht, wenn einem woher auch immer wieder einmal ein YouTube-Video mit Madsen-Beteiligung vor die Glotzer gelangt. Und auch auf Festivals, unterstützt vom übermäßigen Bier-Genuss lassen sich Madsen mehr als ertragen, wenn nicht gar mitunter abfeiern. Ihre Riffs sind eingängig, die Rhythmen wollen einen tanzen sehen. So einfach geht das oft. Nüchtern betrachtet aber bleibt auch auf "Kompass" wenig Freudebringendes. Der Opener "Sirenen" leitet die Platte irgendwo zwischen Stoner- und Hard-Rock ein und möchte am liebsten zurück in die Achtziger, ohne dort jemals eine Chance auf Akzeptanz erwarten zu dürfen. Zwar wird hier textlich kurz an gesellschaftlichen Themen gekratzt, der Chorus aber lässt all dies wieder verschwimmen.

Zwischendurch wird die Platte freilich leiser, so beispielsweise in der 4/4-Ballade "Küss mich", die im Refrain die übergriffige Aufforderung lauthals formuliert. Auch die Titelsingle "Kompass" kommt gediegener des Weges, lässt eine sanfte Damenstimme ein "Huhuhuuuu" hauchen und stellt zwischendrein profanste Fragen wie "Bist Du glücklich?" auf den Polka-Rhythmus. Ansonsten wird bisweilen munter von anderen stibitzt, so kommen "Leichter" (George Michael), "Fluten" (Queens Of The Stone Age) oder "Graue Welt" (Foo Fighters) nur allzu bekannt daher. Mit "Leuchttürme" steht der wohl stärkste Titel des Albums an dessen Ende: Fahriges Rauschen kündet vom Sturm, der sich im infernalen Riff kulminiert und inmitten dessen der Leuchtturm den Weg weißt. Hier gelingt es Madsen zumindest einmal, sich von der Gute-Laune-Sause zu verabschieden, auch wenn der Track einen kaum zu bändigenden Hang zur Theatralik zeigt.

"Büro ist wie Jazz, nur ohne Musik", meinte Ober-Chef Stromberg einst auf dem Bürostuhl lehnend. Bei Madsen verhält es sich ähnlich, denn Madsen machen Musik, die dem Hörer vorgaukelt, sie hätte ein wirkliches Existenzrecht – letztlich bleiben aber auch nach diesem Album nur Schall und Rauch und damit so leider gar nichts Nachhaltiges zurück. So verharren Madsen weiterhin in der Kategorie "mit ein paar Bier wird's schon gehen". Selten ist das die Lösung: nicht beim Sex, nicht beim Lampenfieber, nicht vorm Zahnarzt und erst recht nicht beim Musikhören.

(Pascal Bremmer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Leuchttürme

Tracklist

  1. Sirenen
  2. Leichter
  3. Küss mich
  4. Kompass
  5. Ich bin korrupt
  6. Ich trink nur eben aus
  7. Fluten
  8. Unerreichbar
  9. Graue Welt
  10. Nochmal
  11. Über die Berge
  12. Leuchttürme
Gesamtspielzeit: 46:54 min

Im Forum kommentieren

Superhelge

2015-09-09 22:30:10

Also live sind die schon der Abgeher...
Wie die Sportis früher...

@Blume:
Eien Band klingt für einen vermutlich immer so, wie man sie kennenlernt, daher klingen Madsen für mich wie 'Die Perfektion' - kleine Jungs, die auf Tote Hose machen. Die Antithese zu Tokio Hotel. Fand ich damals eigenständig genug - und einen Schreihals wie Sebastian Madsen gibts im Pop/Rocksektor auch eher selten...

@Christopher:
Klar haben Motörhead und Madsen nur fünf Buchstaben gemein und sind musikalisch zwei Niveas - auch wenn beides ca. Rock ist...
der Vergleich zielte eben nur auf die Songvielfalt...

Christopher

2015-09-07 14:43:34

Der Unterschied zwischen Madsen und Motörhead ist, dass Motörhead bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich hochklassige Rockmusik produziert haben. Und Lemmy wischt mit den Bürschchen auch im Altenheim noch den Boden auf.

Klar, Geschmackssache und so. Aber Madsen kann ich guten Gewissens blöde finden. Penetrantes Genöle, das Wollen mit Können verwechselt.

Robert G. Blume

2015-09-07 12:29:25

Ja, weißte, Superhelge, das ist ja genau das Ding. Die Band hat eben nicht 'ihre' Richtung eingeschlagen, sie hat einfach keine. Sie kopiert und kopiert, sie klingt bei jedem Song 'wie' (Foo Fighters, QOTSA, Raconteurs, Revolverheld ...) - aber wie klingen eigentlich Madsen selbst?

Obrac

2015-09-06 23:19:23

Genau, habt einfach Spaß mit der Band, alle anderen haben automatisch unrecht.

Superhelge

2015-09-06 23:04:09

Also ich mag Madsen... imho immer noch eine der besten aktuellen(Deutsch-)Rockbands.

Muss Rockmusik innovativ oder kreativ sein um gut zu sein??? Dann dürften hier so einige Bands keinen Stich sehen, die auch schon immer das gleiche machen...

Die Band hat ihre Richtung eingeschlagen und führt sie konsequent weiter. Und die Alben 'Labyrinth' und 'Frieden im Krieg' waren auch anders als die ersten beiden.
Was ist bei den Hosen, den Ärzten oder den Onkelz anders? Oder international bei Bad Religion, NIN, Motörhead, Nickelback, Green Day oder den damals so gehypten System of a Down oder Queens of a Stone Age???

Der kluge Schuster bleibt bei seinen dünnen Leisten und dicken Brettern, wie Anja Kohl vielleicht sagen würde...

Have fun with your music!

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