Klee - Hello again

Warner
VÖ: 14.08.2015
Unsere Bewertung: 2/10
2/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Tränen auf Reisen

Was für ein, ähm, zuckersüßes Comeback: Für den Werbespot eines Softdrink-Herstellers spielten Klee unlängst eine Coverversion von Howard Carpendales "Hello again" ein. Was ihnen von Herzen gegönnt sei. Das Honorar, die Publicity nach fünf Jahren Abstinenz, die mutmaßlich lebenslange Frei-Haus-Belieferung mit Brause. Passt schließlich. Und damit sollte es dann auch bitte gut sein. Im Sinne von: erledigt. Aber nein: Suzie Kerstgens und Sten Servaes sagen nicht nur kurz "Hello again", wo man von Rheinländern eher ein "Tach auch" erwarten würde – sie setzen sich mitten rein in das klebrige Zeug. Nicht etwa in eine Wanne voll Fanta, sondern in ein Album voll Interpretationen von klassischen deutschen 70er-Schlagern und Party-Evergreens nebst einem englischen Gast-Song. Und nein, grundsätzlich ist das nicht schlimm.

Schon die Kollegen Erdmöbel machten auf "No. 1 Hits" nämlich vor, wie man fragwürdiges Liedgut gewinnbringend für seine Zwecke nutzt. Und auch Klee-Versionen hätten unter normalen Umständen womöglich ihren Reiz gehabt. Traurige Normalität sind hier nach kürzester Zeit jedoch bloß die Spektralfarben blanken Entsetzens, in denen diese zwölf Stücke schillern. Denn es ist schwer zu sagen, was die beiden geritten hat, für "Hello again" von ihrem kurz am Indie vorbeigetragenen Pop abzuweichen und stattdessen alles in ein schläfrig bis faulig schimmerndes Bossa-Nova-Paillettenkleid zu stecken. Eine Kehrtwende, mit der bereits 2raumwohnung auf "Melancholisch schön" Schiffbruch erlitten, nachdem sie sich zuvor ihren Sound von Rosenstolz – neben Mia. die Berlinste Band der Welt – hatten verhunzen lassen.

Wenigstens brauchen Klee keine Komplizen für diese Frechheit von einem Album. Das erwähnte Carpendale-Cover gehört noch zu den erträglicheren Momenten, während nahezu alles andere zu schlecht gemixten Cocktails und ratlos schmeichelnder Stimme somnambul umherirrt. Nouvelle Vague können das eine, Annett Louisan das andere. Doch Klee? Die können zwar tadellose Produktion, genau diese fungiert zu allem Unglück aber als Garant für hemmungsloses Fremdschämen. So nichtig und klein wie in Reinhard Meys "Über den Wolken" hat sich das Duo jedenfalls noch nie gemacht – unweigerlich drängt sich der Gedanke auf, Dieter Thomas Kuhn sei vielleicht doch besser gewesen, als man immer dachte. Und auch Udo Jürgens würde seinen Heuler "Immer wieder geht die Sonne auf" unter solchen Bedingungen wohl noch einmal überdenken.

Gleiches gilt für Roland Kaiser, dessen "Manchmal möchte ich schon mit Dir" zum rosaroten Anzüglichkeits-Sumpf nach Kindchenschema verkommt. Wenigstens der Gedanke, wie Kerstgens in "Ich lieb Dich überhaupt nicht mehr" wie einst Udo Lindenberg den Fernseher eintritt, amüsiert einigermaßen. Okay: so gut wie gar nicht. Doch von solchen Aberwitzigkeiten abgesehen wenden sich auch Münchener Freiheit, Michael Holm oder Gilbert Bécaud mit Grausen ab. Die schlimmste Prophezeiung versteckt sich unauffällig in der Mitte: Salvatore Adamos "Es geht eine Träne auf Reisen" deutet zart an, Klee könnten dieses fehlgeleitete Easy-Listening-Pamphlet womöglich einmal live aufführen. Die Tränen, wie der Rheinländer mitunter trantütige, schwerfällige Menschen nennt, wären in diesem Fall Klee selbst – und die Reise ein Horrortrip. Quietschgelbe Limo bitte!

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

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Tracklist

  1. Immer wieder geht die Sonne auf
  2. Hello again
  3. Butterfly
  4. Über den Wolken
  5. Du bist nicht allein
  6. Ich lieb Dich überhaupt nicht mehr
  7. Ohne Dich
  8. Es geht eine Träne auf Reisen
  9. Nathalie
  10. Manchmal möchte ich schon mit Dir
  11. Barfuß im Regen
  12. Unser freies Lied
Gesamtspielzeit: 43:52 min

Im Forum kommentieren

musie

2015-08-12 07:34:50

Was für ein grauenvolles Album!!! und ich mag Klee eigentlich. wobei sie jüngst schon nicht mehr an die früheren Songs anknüpfen konnten. Hier gäbe ich tatsächlich 1/10, ein miserableres Album kann ich mir nicht vorstellen von einer Band, die es eigentlich könnte. Seit wie vielen Jahren haben die keine neuen eigenen Lieder mehr veröffentlicht?...

Erinner Dich.. Als alles noch neu war.. Ach..

Jennifer

2015-08-11 21:58:38

Frisch rezensiert. Meinungen?

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