Sextile - A thousand hands
Felte / CargoVÖ: 21.08.2015
Ändere Dein Leben!
Vom Sextil, einer Konstellation in der Astrologie, bei der zwei Himmelskörper einen Winkel von 60 Grad zueinander einnehmen, sagt man Folgendes: sie sei "eine Aufforderung zur Tat, da sich aus Sterndeutersicht gerade ein Potenzial zeigt, das sich allerdings nicht automatisch entfaltet. Die Chance muss ergriffen werden." Wenn der Leser nach diesen Ausführungen so schlau ist wie vorher, teilt er diesen Umstand mit dem Rezensenten. Immerhin weiß man jetzt, dass der Begriff mitnichten für einen Zweig der Bekleidungsindustrie steht, der es sich zum Ziel gesetzt hat, besonders anregende Klamotten zu produzieren. Und da die Band aus Los Angeles mit selbigem Namen wohl kaum vorhat, in die Textilbranche einzusteigen, bleiben wir einfach bei der astrologischen Variante. Also: Nutze die Chance, spring auf, ändere Dein Leben! Und wenn es nur auf der Tanzfläche ist.
Doch wie das Leben so spielt, tut das im übertragenen Sinne auch der Tod. Und zwar mit den unzähligen vermutlich knochigen Händen aus dem Albumtitel auf ramponierten Drumkits, düster brütenden Keyboards sowie latent verstimmten Gitarren. Auch dabei: klagender, wahlweise den Mond oder die Neonsonne anrufender Gesang, der ungefähr das veranschaulichen dürfte, was sich Siouxsie Sioux bei der Namensfindung ihrer Band einst unter heulenden Gespenstern vorgestellt hat. Und spätestens jetzt muss die Bezeichnung Gothic fallen – allerdings ohne Beimengung despektierlicher Attribute wie "klebrig", "Larve" oder gar "Schwarzkittel". Sextile beziehen sich nämlich nicht nur auf Genre-Ikonen wie Christian Death oder Death In June, sondern auch auf Brian Eno, The Cramps oder Spacemen 3. Mit weißgeschminkten Gestalten hat das gar nichts zu tun.
Viel eher dagegen mit etwas, das die Band selbst "primitive post punk from outerspace" nennt und das sich aus den oben genannten musikalischen Elementen speist. Ähnlichkeiten mit Labelkollegen wie Nite Fields aus Australien oder Ritual Howls sind ebenso wenig Zufall wie die Nähe zu den britischen Noise-Wave-Experimentalisten Cindytalk, die hier vor allem dank wüster gesanglicher Verzweiflung und weltschmerzverzerrter Jenseitigkeit immer wieder im Schwarzlicht aufblitzen. Raserei-Schlagzahl erreicht das Tempo allerdings erst beim unsanften Meckerbolzen "Smoke in the eye" und lässt Saiten wie Keyboards ächzend im eigenen Saft schmoren, nachdem "Flesh" und "Can't take it" bereits mit rotierendem Tribal-Schlagzeug und dräuender Stimmung vorgeheizt haben. Hände und Füße erbeben im Nebel unter dem Stroboskop.
Wollte man die brodelnde Suppe dieses Albums also mit den allseits ungeliebten Nahrungsmittel-Metaphern beschreiben, blieben mit Verweis auf das Weltall allenfalls Schlagworte wie "Orbit ohne Zucker" oder "Mars macht mobil" übrig. Letzteres gilt vor allem für "Into the unknown", das den Hörer mit einer kokelnden Synthie-Linie in einen Taumel verhängnisvoller Ungewissheit versetzt, während das furiose "Visions of you" von einem wütend vorwärts schabenden Riff angetrieben wird. Zugegeben: Schön sind sie vielleicht nicht immer, die Visionen, die Sextile heimsuchen, wenn sie halb bange, halb hoffnungsfroh Richtung Firmament stieren. Anders als beim namensgebenden Phänomen entfaltet sich das Potenzial der Kalifornier hier jedoch ganz von selbst – "A thousand hands" hat das Zeug zur bösen Himmelsmacht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Flesh
- Smoke in the eye
- Into the unknown
- Visions of you
Tracklist
- A thousand hands
- Flesh
- Can't take it
- Smoke in the eye
- Truth and perception
- Romance
- Mind's eye
- Shattered youth
- Into the unknown
- Visions of you
- Introvert
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Armin
2015-08-04 00:57:46
Frisch rezensiert! Meinungen?
http://www.plattentests.de/rezi.php?show=12441
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- Sextile - A thousand hands (1 Beiträge / Letzter am 04.08.2015 - 00:57 Uhr)