Agent Fresco - Destrier

Long Branch / SPV
VÖ: 07.08.2015
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Reykjavík Hotel

Es ist natürlich gemein gegenüber Agent Fresco, sie gleich im ersten Satz mit Tokio Hotel in Verbindung zu bringen. Aber es gibt dank des Plattentests.de-Forums nun mal tatsächlich oberflächliche Parallelen zwischen den Isländern und den Magdeburgern. Denn ähnlich wie beim längst legendär gewordenen, prophetischen Eröffnungspost im Tokio-Hotel-Thread ("Ich habe die Befürchtung, es kommt etwas ganz schlimmes auf uns zu") bewiesen unsere User auch im zugegebenermaßen eher überschaubaren Thread zu Agent Fresco, dass sie Sachverhalte griffig auf den Punkt bringen können. 2010, als das Quartett mit seinem ersten Album "A long time listening" europaweit für Begeisterungsstürme sorgte, zog man auch bei Plattentests.de den virtuellen Hut: "Spielen ne tolle Mischung aus Metalgefrickel, dazu jazzige Passagen und im Funk wildern Sie ebenfalls herum, dazu eine Stimme und eine Art des Gesangs die mehr als nur einmal an den Dredg-Frontmann erinnert", hieß es da, was den Ansatz der Band treffend zusammenfasst. Jetzt ist Album Nummer zwei da. Und in einer gerechten Welt dürfte Agent Frescos Forumsthread bald Tokio Hotel'sche Ausmaße erreichen. Denn "Destrier" sattelt gegenüber dem gelungenen Debüt noch mal kräftig drauf.

Was das konkret heißt? Dass wir hier einer Band dabei zuhören dürfen, wie sie auf unerhört virtuose Weise verhallte Prog-Einflüsse, messerscharfe Riffattacken, majestätische Refrains, verschachtelte Rhythmen und wütendes Geschreie verquirlt. Und die dazwischen in den richtigen Momenten den Fuß vom Gas nimmt. Dabei gehen Arnór Dan Arnarson und seine drei Kollegen mit einer Unbeschwertheit zu Werke, die das Klischee diesem verschrobenen Volk aus dem äußersten Norden eigentlich nicht zugesteht. Eine bittersüße Hymne wie "Bemoan" etwa bringen Agent Fresco federleicht und gekonnt rüber. Nur um im darauffolgenden, passend betitelten "Angst" die Gitarren in haarsträubendem Tempo sägen und nach eineinhalb Minuten alles in einem Sumpf aus psychotischem Gekreische versinken zu lassen. Einfach weil sie es können.

Zwar führt der sich langsam anpirschende Opener "Let them see us" ein wenig in die Irre und lässt nicht sofort auf das krachende Meisterwerk schließen, das "Destrier" über weite Strecken ist. Dafür kommen die Isländer mit "Dark water" umso explosiver aus dem Startblock. Arnarsons Stimme schwebt über dem dicht gewobenen Teppich aus lauten Gitarren, satten Klavierklecksen und bedrohlich-schleppendem Schlagzeug. Noch wütender präsentiert sich "Howls" mit deftigem Stakkato-Drumming und mächtigen Gitarren, während "The autumn red" eine treibende Alternative-Hymne erster Güte ist. Abseits aller postrockigen Schlagkraft wissen Agent Fresco auch mit perfekten Arrangements zu beeindrucken. Etwa im siebenminütigen "Mono no aware", mit dem sie das Album auf die bestmögliche Weise beschließen. Erst nach zweieinhalb Minuten schaut der Gesang zu einem kurzen Gastspiel vorbei. Abrupt macht der Lärm dann einem sanft angeschlagenen Klavier Platz. Und langsam geht über "Destrier" die Sonne unter.

Anspruchsvolles einfach aussehen zu lassen, ist eine Fähigkeit, über die beileibe nicht jede Band verfügt. Emotionen zu besingen, ohne kitschig zu werden, eine andere. Agent Fresco können beides. Verkopft oder unnötig verschwurbelt ist hier nichts. Selbst wenn die Rhythmen oftmals vom geraden Takt abweichen oder sich Breaks an unerwarteten Stellen auftun, bleibt "Destrier" in jeder Sekunde zugänglich. Was das Album zu einem echten musikalischen Hochgenuss macht. Und somit zum größtmöglichen Gegensatz zu allem, was Tokio Hotel jemals abgesondert haben. Wir haben es ja auch nicht böse gemeint.

(Mark Read)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dark water
  • Howls
  • See hell
  • Bemoan

Tracklist

  1. Let them see us
  2. Dark water
  3. Pyre
  4. Destrier
  5. Wait for me
  6. Howls
  7. The autumn red
  8. Citadel
  9. See hell
  10. Let fall the curtain
  11. Bemoan
  12. Angst
  13. Death rattle
  14. Mono no aware
Gesamtspielzeit: 51:13 min

Im Forum kommentieren

Affengitarre

2022-09-22 12:08:49

Wirklich fantastisches Album. Verspielt, vertrackt und gleichzeitig auch sehr emotional. Hoffe, da kommt bald etwas neues.

Affengitarre

2020-11-06 15:08:43

Uh, da bin ich mal gespannt.

Marküs

2020-11-06 14:37:26

Tatsächlich NOCH besser. Beide Alben sind überragend. Ich möchte eine neue Platte.

Affengitarre

2020-11-06 14:17:39

Mag ich sehr, das Ding, auch den Gesang. Wie ist der Vorgänger im Vergleich?

The MACHINA of God

2015-10-12 23:02:54

Bei Circa Survive klingt es irgendwie "echter"... da ist halt auch "brust mit dabei, nicht nur Kopf.

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