SAFI - Janus

PIAS / Rough Trade
VÖ: 26.06.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Sukzessive Verwüstung

Himmel, ist das laut hier! Die Verstärker sind bis zum Anschlag aufgerissen, das Schlagzeug ist auf bestem Wege, Sägespanform anzunehmen. Und dann diese Stimme: Weiblich, heiser, schrill. SAFI heißt die Band, gleichnamig ist deren Sängerin und Gitarristin. Unterstützt wird sie von Matthias Becker an der zweiten Gitarre und Frank Semmer an den Drums. Ihr zweites Album "Janus" macht seinem Titel alle Ehre: Es ist zerrissen zwischen Krach und Liebreiz, es ist erstaunlich verschwurbelt und gleichzeitig erschütternd emotional. SAFI heißt nämlich auch "programmatischer Krawall auf der Strecke zwischen Ohren und Kopf". Was in erster Linie bedeutet: Keine Angst vor Schmerzen, erst recht nicht vor willentlich herbeigeführten.

Denn das, was die zierliche Frontfrau aus ihren Stimmbändern herausprügelt, dürfte allen musikaffinen Hals-Nasen-Ohren-Ärzten den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Ohne Rücksicht auf Verluste kreischt, kiekst und krächzt sich die Sängerin durch den Opener "Ausgebrannt", und erreicht im Vorbeigehen auch noch Tonhöhen, die Fensterscheiben zum Erzittern bringen. Weitaus melodiöser fällt "Sagen und denken" aus. Der von wundervollen Gitarrenharmonien getragene Song offenbart die verletzliche Seite der Vokalistin und bleibt bei allen Anklängen an zeitgenössische deutschsprachige Rockmusik erfreulich unprätentiös. Das fortwährende Wechselspiel zwischen laut und leise prägt das gesamte Album, wobei die Ausschläge in beide Richtungen von Track zu Track extremer werden.

So ist "Fragezeichen" ein ziemlich kaputter Bastard aus schrägen Klaviertönen, schnarrenden Saitentönen und amelodischem Gesang, der sich in Kryptik suhlt: "Ich knote die Beine zusammen / Die Außenseite meiner rechten Wade reibt sich an der Außenseite meines linken Oberschenkels / Ich denke eventuell / Im Dunkeln sehen Straßenlaternen bei Regen wie Duschen aus." Was beim Lesen reichlich verquast daherkommt, jagt beim Hören wohltuende Schauer über den Rücken. Nicht minder ambitioniert, doch ungleich konkreter ist "Golem" gestaltet: Der von hämmernden Akkorden angetriebene Song spielt mit nichtssagenden Phrasen wie "Ich ergehe mich in strukturellen Erfolgen", während nach und nach flirrende Elektroniksounds das Ruder übernehmen. Worum es dem Trio auf "Janus" letzten Endes geht, offenbart sich beim Blick auf die am häufigsten auftauchenden Pronomen: Ein bisschen "wir" und ganz viel "ich", doch ohne befindlichkeitsbeduseltes Geplapper.

"Überall diese Leute und dieses Mitteilungsbedürfnis", stellt Safi zu Beginn von "Offensichtlich" fest. Was dann folgt, klingt, als hätte man Nena nach einem Heroinentzug in ein Studio mit Steve Albini verfrachtet. Und das ist, mit Verlaub, verdammt großartig. Natürlich kann das Rad durch manisches Achtelnoten-Gedresche nicht neu erfunden werden, aber das kann es mit synkopierten Frickelrhythmen auch nicht. Und Wut wird immer noch am besten laut serviert. Nun ist es durchaus möglich, SAFI Epigonentum vorzuwerfen, denn ihr Sound ist zwar durchdacht und vielseitig, im Kern aber klassischer Noiserock. Man kann aber auch den inneren Geschmackspolizisten auf Streife schicken und sich einfach darüber freuen, dass hier eine Band zu sich selbst findet. Mit einer Wucht, die sprachlos macht.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Ausgebrannt
  • Sagen und denken
  • Golem
  • Offensichtlich

Tracklist

  1. Ausgebrannt
  2. Sagen und denken
  3. Menschen
  4. Fragezeichen
  5. Golem
  6. Weg
  7. Offensichtlich
  8. Alle laufen
  9. Entschuldigung
  10. Ich will ich
Gesamtspielzeit: 35:12 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2016-01-27 13:29:54

Der Opener ist so geil. Den Rest hab ich dann leider nur ein oder zweimal erreicht. :)

Bernhard

2016-01-27 00:35:37

Hab SAFI mit Refused im Docks in Hamburg gesehen und mußte mir beide Platten kaufen.

krumme Metaphorik? mnjaaa- aber gerade die texte haben mich gepackt - und Safis Stimme hat mich weggeblasen.

Ticket für SAFI und Refused in Berlin ist schon gekauft!

Robert G. Blume

2015-07-13 11:05:21

Tolle Band, mit denen haben wir uns Anfang des Jahres die Bühne geteilt. Freut mich für die, dass es gut anläuft, sie haben es verdient.

The MACHINA of God

2015-07-11 11:21:25

Sind sogar Leipziger, oder? Mir kam der Bandname vorher schon irgendwie bekannt vor.

Christopher

2015-07-11 10:39:44

Wird es auch jetzt schon. Gibt eigentlich nur positive oder negative Reviews, kaum was dazwischen. Man kann der Band auch einiges vorwerfen: Verkopftheit, Nachmacherei, teils krumme Metaphorik. Die ersten beiden Punkte stören mich überhaupt nicht, der letzte nur an 1 - 2 Stellen auf dem Album.

Tolle Ideen, nen guten Sound und ne überragende Sängerin habe sie auf jeden Fall.

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