Jon Regen - Stop time
Motema / MembranVÖ: 12.06.2015
Duett der Eitelkeiten
"Stop time" hat zweifelsfrei die beste Entstehungsgeschichte eines Popalbums in 2015 – auch oder weil sie wie ein plumper Witz daherkommt: Auf einer Party in London treffen sich Jon Regen und Jeremy Irons – der verkannte Klaviermaestro und der preisgekrönte Mime. Einige Liter Wein intus fordert Irons Regen dazu auf, etwas am Piano vorzutragen. Regen wollte den Oscarprämierten nicht enttäuschen und beginnt mit einer bluesigen, New-Orleans-inspirierten Improvisation. Irons ist derart angetan und betütert, dass er ein (wohl eigentlich als Dekor vorgesehenes) Cello von der Wand reißt und den Bass dazu spielt. Aus diesem etwa viertelstündigen Jam entstand ein humoriges Lied um einen Kerl, der bestürzt auf die zu schnell entglittene Jugend zurückschaut. Das Titelstück, wie die anderen Lieder auf Regens mittlerweile siebter Veröffentlichung, mäandert melodisch vor sich her und bringt es zeitgleich fertig etwas originäres zu sein.
Regen feiert das Klavier und wird von Elvis Costellos Rhythmussektion, Davey Faragher am Bass und Schlagzeuger Pete Thomas, unterstützt. "Morning papers" ist exemplarisch mit seinen hüpfenden Akkorden, denen stets kleine Klavierkaskaden beifügt sind. So kann Regens eigentliche Finesse beschrieben werden: dass er seine Lieder mit Noten vollpackt, sie jedoch nicht vollbepackt wirken. Vielmehr eint sie Dezenz. Ob im hauchenden Gospel von "Borderline" oder im rhythmisch holprigen "Chapter two", es sind die nimmersatten Fingerläufe mit behutsamen Harmonien, die im Songwriting an die Großen wie Randy Newman oder Billy Joel anknüpfen. Letzteren zitiert Regen geradezu in der Serenade "Run to me", dem stärksten Stück auf dieser Platte. Wer braucht schon einen wirklichen Chorus, wenn dafür ein klangschönes Motiv andauernd wiederholt wird? Ein Kandidat für die Ballade des Jahres.
"Walk on water" darf Regens Virtuosität mit jazzigen Soli offenlegen. Alleine singend am Klavier bietet er eine verjüngte Version des "Piano man". Da kann auch verschmerzt werden, dass er hier textlich viel Phrasenhaftes zusammengesetzt hat. Aus dem Rahmen fällt dann auch "Home again", das mit einigen Halleffekten und Klangspielereien hymnisches zu kreieren versucht. Es gelingt nicht. Regen scheitert aber auch nicht kläglich. Und die Bemühungen schmälern das Gesamte nur gelinde. Wir warten sehnsüchtig auf Neues von der Londoner Partygemeinde.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Morning papers
- Run to me
- Chapter two
Tracklist
- I will wait
- Morning papers
- Run to me
- Borderline
- Stop time
- Walk on water
- Annie
- Home again
- Chapter two
- These are the days
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Jennifer
2015-07-01 23:15:34
Frisch rezensiert. Meinungen?
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- Jon Regen - Stop time (1 Beiträge / Letzter am 01.07.2015 - 23:15 Uhr)