Rangleklods - Straitjacket

Tambourhinoceros / Broken Silence
VÖ: 22.05.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Was Eltern nicht für möglich halten

"Das sind wir. Wir, die Jugend von heute. Wir sind vielen fremd, vielen unbequem. Warum? Nur weil wir misstrauisch sind? Weil wir eigene Musik haben? Weil wir eine neue Moral wollen in der es keine Heuchelei gibt? Das sind wir, die Mädchen von heute. Wir sind neugierig und wir sind ehrlich zu uns selbst. Dort, wo Ihr, die Erwachsenen zuviel gelogen habt."

Da sitzen sie, die drei Schulmädchen, ganz zu Beginn der Siebziger Jahre auf der Rückbank des Käfer-Cabrios mit den Blumenstickern und düsen durch ein Deutschland, das so gar nichts von Liebe, Sex und Softpornos unter dem Deckmantel pseudowissenschaftlicher Aufklärung weiß. Der Schulmädchen-Report musste also schleunigst gegen die Prüderie der Erwachsenen vorgehen. Das Ergebnis: Mit der sexuellen Befreiung und einem echten Gender-Diskurs hatten die Filme soviel am Hut, wie Rainer Langhans mit bayerischen Schützenvereinen. Nichtsdestotrotz gehörte den Schulmädchen die Zukunft. Mit oder ohne Kamera, mit und ohne alten Herren, die ihren Fantasien 13 Filme lang freien Lauf ließen.

Damals, als der Report prophezeite, dass das größte Potenzial junger Frauen unter der Bluse schlummere, war nichts davon zu erahnen, wie Lust und Liebe 2015 funktionieren werden. Erst recht nicht, wie sich dänischer Elektropop in Gestalt von Rangleklods der Figur des Schulmädchens in Zeiten verschrieben werden, in welchen – Internet sei Dank – Sex omnipräsent ist. "Don't talk if you wanna be adored / I can't stand it" und "Let me tell her: I'm 20 years of age / At least I used to be" heißt es eben in jenem Song "Schoolgirls", in dem Esben Andersen seinem musikalischen Ich beim Beobachten der – im bundesdeutschen Siebziger-Jargon – jungen Dinger in ihren knappen Röcken zusieht. Tenor: Nicht er ist schuld. Sie sind es. Er ist so knapp davor den Trieb zu entfesseln. Aber dann gibt es ja die Selbstkontrolle. Pernille Smith-Sivertsen antwortet Andersen auf seine Lüsternheit: "You could beat the best of me / A Shirt so white it could never be clean" und "Schoolgirls playing with fire, my fire." Ihre Stimmen chauffieren abwechselnd, weniger wild, willenloser und bedrückter als die Mädchen im Cabrio über den Beat. Die Revolution der Gefühlswelt war einst, jetzt ist sie im Limbus angekommen.

Das zweite Album der Dänen heißt "Straitjacket" und genauso fühlt es sich an. Andersens Beats hängen und klopfen, illusionieren wie Woodkid, brechen aus wie Moderat. Aber die Zwangsjacke emotionaler Bedeutungslosigkeit kann und will das Duo nicht ablegen. Heute fährt man eben nicht mehr einfach im Käfer raus und trifft sich mit dem Schulbusfahrer zum Petting auf der Rückbank. Rangleklods trauern ("Lost u"), sehnsüchteln ("Dry me out"), vermissen ("Straitjacket") – und alles hört sich gleichermaßen egal wie komplex an. Achtziger-Pop, Achtziger-Elektro, Lebenswelt irgendwann danach. Das ist unbequem, das ist fremd. Das ist sie, die gefühlsverkrüppelte, selbstfremdelnde Jugend von heute, würde ein Off-Sprecher jetzt einwerfen. Wer den Zeitgeist sucht, findet ihn hier in der Zwangsjacke.

(Bastian Sünkel)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Lost u
  • Schoolgirls
  • Tricks
  • Straitjacket
  • Nerves

Tracklist

  1. Lost u
  2. Schoolgirls
  3. Broke
  4. Degeneration
  5. Forgive
  6. Warrior
  7. Dry me out
  8. Tricks
  9. Happy in the gutter
  10. Straitjacket
  11. Nerves
Gesamtspielzeit: 44:42 min

Im Forum kommentieren

riverbed

2015-06-13 16:09:20

finde beekeeper stimmiger mit 9/10. die neue kann da nicht mit: 7/10 ist in ordnung bisher.

beste tracks: tricks, nerves

Cosmig Egg

2015-05-27 13:23:25

Nachdem beekeeper hier schon wenig anklang fand, möchte ich euch wenigstens das zweitwerk dieser kombo ans herz legen. Für freunde atmosphärischer elektronischer musik, die auch mal ordentlich nach vorne geht, ein absolutes muss

https://www.youtube.com/watch?v=ucvLOc94dUY

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