Nai Harvest - Hairball

Topshelf / Soulfood
VÖ: 29.05.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Pogo unter Palmen

Warum nicht einfach mal mit dem besten Kumpel in die USA reisen? Ben Thompson und Lew Currie alias Nai Harvest taten genau das – aber nicht nur zu touristischen Zwecken. Nein, die beiden musizieren zusammen und die Amerikaner scheinen das Surf-Punk-Duo aus Sheffield tatsächlich zu mögen. In Deutschland bislang noch ziemlich unbedarft, hat unter anderem Pitchfork ihrer zweiten Platte "Hairball" kürzlich Aufmerksamkeit geschenkt und trotz mittlerer Bewertung wohl tatsächlich etliche Menschen spontan zu Club-Konzerten der Briten gelockt. Klar, um der vielleicht relevantesten amerikanischen Musikseite den "Best new music"-Stempel zu entlocken, haben Nai Harvest zu wenig Hipness-Potential und wohl auch zu wenig musikalische Innovation zu bieten.

Aber bekanntermaßen ist es manchmal besser, dieses Feld anderen zu überlassen und einfach das zu tun, was einem selbst Spaß bringt. Dann klingt das nämlich so frisch, unverbraucht und ohrwurmig wie der Auftakt "Spin", der einen mit Melodie und Hookline unmissverständlich in diese Platte hineinsaugt und aufkommende Tanzlust gleich mal entflammt. Mit ihrer Mischung aus Power-Pop, Surf-Punk und einer Prise 90s-Emo verehren Nai Harvest nicht nur The Ramones, sondern schaffen anscheinend einen angenehmen musikalischen Spagat, der das englischsprachige Mutterland und Nordamerika gleichsam eint. So dampft auch die Single "Sick on my heart" auf Stakkato-Beat und Stromgitarren-Schienen geradewegs in Richtung Hit-Bahnhof. Dass es zwischen etlichen der zehn Tracks kaum stilistische Ausbrüche gibt, stört nicht weiter, weil sich auf "Hairball" alles der sommerlichen Pogo-Pop-Stimmung unterzuordnen hat. Geschuldet ist diese natürlich, wie könnte es bei blutjungen Musikern anders sein, einer gewissen Orientierungslosigkeit, die für die Blüte des schnodderigen Rock 'n' Roll so förderlich ist. Und natürlich den ersten Enttäuschungen in Sachern Liebe – textlich ebenfalls ein Motiv dieses Albums.

Im melodieverliebten Midtempo-Stück "Ocean of madness" zu schwimmen, kann da trotz aller Widrigkeiten und Kopfkino-Stürme Abhilfe schaffen. Und ja, auch etwas windschiefer Garage-Rock samt Widerhaken-Riff, wie in "Drinkin bleach", ist sicherlich erholsamer als selbiges wirklich zu tun, um auf andere Gedanken zu kommen. Zumal der sonnige Punkrocker "Melanie" umgehend für eine schnelle Wiederbelebung der Libido sorgt. Spätestens das eindringliche "Buttercups" bringt die Band-DNA sowas von auf den Punkt, dass man froh ist, hier keine großen Experimente zu hören. Der Track dreht Pirouetten um die eigene Achse, ringt Ben Thompson am Mikro sogar ein Krächzen und Fauchen ab und pferscht den Garagen-Pogo noch einmal ordentlich zusammen. Und wenn es mit "Dive in" dann mal ein bisschen beliebiger wird, schauen für "Gimme gimme" die Beach Boys vorbei um auszuloten, wie sie die beiden Milchgesichter mit den Topffrisuren unterstützen können. "Hairball" wirkt unterm Strich wie ein juvenil-stürmischer Anfang – ein Deckel ist hier noch lange nicht drauf.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Spin
  • Drinking bleach
  • Buttercups
  • Ocean of madness

Tracklist

  1. Spin
  2. Sick on my heart
  3. All the time
  4. Drinking bleach
  5. Melanie
  6. Buttercups
  7. Ocean of madness
  8. Dive in
  9. Gimme gimme
  10. Hairball
Gesamtspielzeit: 36:17 min

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