
Leon Bridges - Coming home
Columbia / SonyVÖ: 19.06.2015
Schrittmuster
Wenn heutzutage Künstler mit Soul um die Ecke kommen, der maßgeblich beeinflusst ist von der Genre-Glanzzeit der Sechzigerjahre, liegt es oft in ihrem Naturell, sich bei nächster Gelegenheit die Seele aus dem Leib zu singen. Ob das Paul Janeway bei St. Paul & The Broken Bones ist, Brittany Howard von Alabama Shakes, Charles Bradley, Nathaniel Rateliff mit seinem Sideprojekt The Night Sweats oder Kombos wie Monophonics sind. Dahinter steckt natürlich auch das Bild des Entertainers oder Bühnenpredigers, wie sie Little Richard, James Brown oder auch Sam & Dave dereinst verkörperten. Mit der richtigen Band im Rücken, findet man sich schnell schwitzend vor der Bühne wieder. Bei Leon Bridges, der gebürtig mit Vornamen Todd heißt, besteht die Möglichkeit, dass seine vokalische Range Ausbrüche gar nicht erlaubt, wahrscheinlicher aber scheint der bewusste Tunnelblick für die oft simple Songidee. Und dabei klammern wir die ohnehin nicht zu beantwortende Frage aus, ob man das vor 50 Jahren genauso ein- und wertgeschätzt hätte.
Der 25-Jährige lässt sich nicht treiben von Northern-Soul-Rhythmen, Bläser-Sektionen oder Streicher-Arrangements mit Philly-Note. Im Kern steht da ein einzelner Mann mit seiner Gitarre auf der (geistigen) Bühne, ab und wann wird er unterstützt von Drums, Saxophon, Hammond-Orgel und Backing-Sänger(inne)n. Und doch hatte er nach den Auftritten beim SXSW-Festival 2015 in Austin, Texas, freie Auswahl in puncto Plattenlabel. Sein Rhythm 'N' Blues der Fünfziger, sein Soul, sein Gospel bleiben reduziert. Und keines der Stücke des Texaners auf "Coming home" ist in seiner reinen Form so fantastisch wie das spirituelle "River": "Oh I wanna come near and give you every part of me / But there's blood on my hands and my lips aren't clean." Schleife dran und jedem schenken, der auch nur ansatzweise etwas mit dieser Form der Musik anfangen kann. Und direkt das restliche Album beigeben, das so schnörkellos daherkommt, ungekünstelt und 2015 in seiner Art und Weise gut tut.
Von einem Saxophon begleitet, erzählt Bridges im Doo-Wop-Soul des Südstaaten-Stücks "Lisa Sawyer" den Werdegang seiner Mutter, und "Shine" hofft auf das Verbleichen der Jugendsünden und das Verfliegen der Verfehlungen. Spätestens nach diesen religiösen Äußerungen wird klar, dass Sam Cooke nicht vergessen scheint. Aber natürlich geht es Bridges auch um Liebe und Frauen, das begehrenswerte "Brown skin girl", um die zweite Chance in "Better man" und Herzschmerz in "Pull away": "You put a knife in my back, straight through." Gut, dass der Texaner, der noch vor anderthalb Jahren das klassische Tellerwäscher-Klischee erfüllte, für "Smooth sailin'" und "Twistin' & groovin'" den Flirt-Modus anwerfen kann. Im Titeltrack aber erleben wir die flehentliche Heimkehr eines Leisetreters, der nichtsdestoweniger für ein lautes Echo sorgen kann – und wird. Wir sehen uns 1958.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Coming home
- Lisa Sawyer
- River
Tracklist
- Coming home
- Better man
- Brown skin girl
- Smooth sailin'
- Shine
- Lisa Sawyer
- Flowers
- Pull away
- Twistin' & groovin'
- River
Im Forum kommentieren
Across the Room
2017-11-28 21:49:18
Neuer Song mit/von ODESZA:
https://www.youtube.com/watch?v=BEW_n1922vk
lego
2015-12-30 00:14:50
tolle rezension.
Sick
2015-06-19 23:20:33
Doch, zu meinen schon. Bin aber auch nicht durchschnittlich. :)
Total retro. Gefällt mir trotzdem sehr gut. Ähnlich gut wie Nick Waterhouse letztes Jahr.
Stephan
2015-06-17 20:06:40
Vermutlich gehört Soul jetzt nicht zu den großen Vorlieben des durchschnittlichen Plattentests.de-Lesers, aber empfehlenswert ist das Album von Leon Bridges allemal.
Bei NPR gibt es gerade das komplette Debüt im Stream.
http://www.npr.org/2015/06/14/413461576/first-listen-leon-bridges-coming-home
Sollte der dann alsbald nicht mehr funktionieren wären hier noch ein paar Links zu Nummern aus dem Album.
"Coming home": https://www.tape.tv/leon-bridges/videos/coming-home
"Better man": https://www.tape.tv/leon-bridges/videos/better-man
"Lisa Sawyer": https://www.tape.tv/leon-bridges/videos/lisa-sawyer-pseudo-video
Und das fantastische "River":
https://www.tape.tv/leon-bridges/videos/river-pseudo-video
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Referenzen
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