Giorgio Moroder - Déjà vu

Sony
VÖ: 12.06.2015
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Er ist wieder da

Giorgio Moroder könnte auf einer Terrasse in Südtirol Eistee trinken. Aber der Pionier synthetischer Disco-Musik erlebt mit 75 Jahren seinen zweiten Frühling, seitdem ihn die Franzosen von Daft Punk auf "Random access memories" im fulminanten "Giorgio by Moroder" seinen Werdegang erzählen ließen. Bis heute eine anrührende Legendenhuldigung. Plötzlich legte Moroder wieder in Clubs auf, fertigte Remixe für Coldplay an, war als Produzent wie Kollaborateur gefragt und bringt nun sein erstes Album in 30 Jahren heraus. Et voilà: "Déjà vu". Das Wiedersehen mit Moroder, seinem Disco-Sound, Hit-Willen und natürlich auch mit vielen namhaften Gastmusikern.

Für Giovanni Giorgio Moroder könnte es in erster Linie darum gehen, Spaß zu haben. Mitnehmen, was geht. An seiner Vergangenheit lässt sich schließlich nicht mehr rütteln, an seinen Grammys, Oscars, nicht an seinem Status. Aber er will natürlich auch nicht wahrgenommen werden als der Greis, der zufällig noch einmal im Popzirkus mitmischen darf. Moroder möchte noch etwas zu sagen haben, seine Produktionen modern sein, eine Art Renaissance seines Schaffens. "74 is the new 24" gibt Moroder sodenn via Roboterstimme als Statement aus, in einem Track, der an "The chase"-Zeiten anknüpft, discoid funkige Rhythmik einfügt, Soundtrack-Weite aufweist und doch eine gewisse Progressivität. Es ist der wohl beste Track – und bezeichnend für "Déjà vu", dass der inzwischen in Los Angeles lebende Musiker die Unterstützung vieler Stars gar nicht benötigt hätte, so oder so aber zwölf Quasi-Singles produziert hat.

Dass das Album mit dem instrumentalen "4 u with love" beginnt, ist mehr als nur ein Dank für das neugewonne Interesse an seiner Person, es vermittelt überdies ein imaginäres Mash-Up von zwei Prozent aus Zedds "Break free" und einer Menge mehr aus Aviciis "Levels" und katapultiert Moroder wie auch das gesamte Album ins Hier und Jetzt. Zumindest für einen Song, denn der nachfolgende Titeltrack mit Sia gerät zwar zweifelsohne höchst eingängig, weckt im Beat aber schlimme Erinnerungen an Disco-Fox-Tanzstunden 1988. Giorgio Moroder anno 2015 hält sich im Diskurs-Kreis Dance- und Disco-Pop auf, verzichtet auf technoide oder hiphoppige Sperenzchen der Marke Calvin Harris, geht mit Charli XCX in "Diamonds" oder Marlene in "I do this for you" aber auch keine Wagnisse ein.

Die Kollaboration mit Foxes, "Wildstar", macht es besser, trägt die Sängerin auf einer synthetischen Welle mit eingesprungenem Irene-Cara-Flashback, Moroder schaltet sich wieder als Roboter ein und arbeitet obendrein wie so oft auf dieser Platte mit bekannt wirkenden Licks. "La disco" flüstert Munich Machine und schreit geradezu nach Nile Rodgers; das feine "Back and forth" mit Kelis und nervige "Tempted", welches an Mika, Dana Dawsons "3 is family", Marque und Scissor Sisters gleichsam erinnert, agieren in dieser Hinsicht ebenso wenig subtil. Mikky Ekko scheint Presswehen zu haben in der Dance-Ballade "Don't let go" und der riffige Synth-Groove von "Tom's diner" lässt Britney Spears Suzanne Vegas Nummer covern. Das liest sich horrender als es letztlich ist, wenngleich die Welten von Spears und Moroder nicht so gut verschmelzen wie die des Altmeisters und Kylie Minogue in "Right here, right now". Beide touren übrigens gemeinsam, Giorgio Moroder im Vorprogramm von Hauptact Kylie. Wie passend: Alter vor Schönheit und ab und an etwas Hot stuff.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • 74 is the new 24
  • Wildstar

Tracklist

  1. 4 u with love
  2. Déjà vu
  3. Diamonds
  4. Don't let go
  5. Right here, right now
  6. Tempted
  7. 74 is the new 24
  8. Tom's diner
  9. Wildstar
  10. Back and forth
  11. I do this for you
  12. La disco
Gesamtspielzeit: 42:30 min

Im Forum kommentieren

Desare Nezitic

2015-06-21 22:08:33

Ist aber auch wirklich ein mieses Album geworden. Aber wenn's dem Senior Spaß macht...

Einige seiner alten Sachen, gerade im Soundtrackbereich, sind jedoch sehr fein.

Demon Cleaner

2015-06-18 09:22:25

Verriss bei Pitchfork

Honk

2015-06-04 21:57:24

Das mit DJ Bobo stammt nicht von mir. Und von den Rolling Stones gibt's ja auch noch "Some Girls".
Ich kann mich darauf einigen, daß Funk/Soul wohl in der gleichen Galaxie wie Disco liegen, dennoch gewiss nicht im gleichen Sonnensystem.
Im übrigen ist mir die Herleitung etwas zu konfus. Das wirkt auf mich, als würde dauernd der Bezugsrahmen geändert werden.

Und dann gibts ja auch noch "Gute Disco, schlechte Disco" wie zB Tina Charles oder so für zweiteres stehend. Das sind im Grunde genommen Teenie-Pop-Nummern, die irgendwie mal n Disco-Element übernommen haben, aber ansonsten ganz altmodisch im Strophen/Refrain-Gewand daherkommen. Bei Bohannon gibts sowas kaum. Der Mann wird eh unterschätzt. Mit seinem schweren Geholze hat er schon viel vorweg genommen.

Ich kann mich gern darauf einigen, daß irgendwie alles mit allem zusammenhängt, wenn man nur lang genug sucht; dies der Beliebigkeit preiszugeben, sollte man auch nicht tun.

Mr Oh so

2015-06-04 20:41:23

Coole Socke.

rollator

2015-06-04 20:09:38

So kann man sich wenigstens unterhalten.

Die Musik ist natürlich nicht vollkommen dieselbe, aber sowohl Bohannon als auch (vor allem) Cowley/Sylvester sind vergleichbar im repetetiven Disco-Moment, im Four to the Floor, in den Synth- Arrengements - halt in der generellen Art, Disco zu bauen und der Wirkung, was Disco als Genre angeht, wo es hinging und in den Clubs, wo das stattfand. Das ist ziemlich nah beieinander. Ist Disco!

Auch MFSB ist klar vergleichbar in der Art des 'Big Arrangements'. Klar ist MFSB Philly, aber Moroder ist ja auch Philly-beeinflusst (hat die Three Degrees produziert und viele Donna Summer Nummern eh).

EWF kommen von woanders her, ja, aber es geht (mir) um die generelle Prägung von (Munich)-Disco auf das Genre insgesamt, und da war Moroder durchaus prägend und eben nicht DJ Bobo.

Das ist sind auch nicht völlig andere Genres, das wurde seinerzeit in den gleichen Kreisen goutiert und nicht unbedingt für schlechter befunden. Moroder ist eben nicht "Welten" von EWF entfernt.
Der ist vielleicht Welten entfernt von den Rolling Stones.

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