Jacco Gardner - Hypnophobia
Full Time Hobby / Rough TradeVÖ: 08.05.2015
Schneide-, Eck- oder Backenzahn
Der Verlust eines oder mehrerer Zähne im Traum soll sinnbildlich für das Erfahren einer Zäsur im eigenen Leben oder das Einstellen auf eine neue Lebenssituation stehen. Egal ob Schneide-, Eck- oder Backenzahn, es ist vielleicht die unterbewusste Auseinandersetzung mit einem anstehenden Ortswechsel, dem Ende einer Beziehung oder dem Verlust einer nahestehenden Person. Wie auch immer man zu solchen Deutungen wiederkehrender Traummotive steht, die Eskapaden des menschlichen Gehirns zur Schlafenszeit bleiben eines der großen Rätsel und die Wissenschaft ist weit davon entfernt, dessen Bedeutung zu entschlüsseln.
Jacco Gardner liefert mit "Hypnophobia" nun seinen eigenen Beitrag zur Forschung und ist besonders gut darin, eine eigene Traumreise dramaturgisch aufzubauen. Das anführende "Another you" ist zunächst mit dem kräftigsten Schlagzeug der Platte ausgestattet, als wolle es den Hörer mit voller Kraft in seine Welt ziehen. "Grey lanes" scheint mit seinen ungewohnt zerbrechlichen Tastensounds einen magischen Verwandlungsprozess zu intonieren, ohne dabei auch nur eine einzige Zauberformel auszusprechen. Es bleibt zwar offen, welches Fabelwesen am Ende der Transformation entstanden ist, aber diese Unklarheit ist eben auch programmatischer Bestandteil der geplanten Selbstfindungsgreise auf "Hypnophobia". Es gilt die unbedingte Hoffnung, dass vielleicht die eine oder andere Schattenwelt durchschritten werden muss, am Ende aber eine goldene Zukunft wartet; die klassischen Themen des Psychedelic-Rock der 60er Jahre, die Jacco Gardner nicht nur musikalisch mit Elementen des Chamber-Pop verbindet.
Das zweite Album des Niederländers ist so vor allem eine Beschäftigung mit der eigenen Selbstwerdung, wenn Gardner in "Find yourself" auch sich persönlich kraftlos säuselnd attestiert: "Don't fight the feeling / Just let it in / You know you need it / Like the sunlight on your skin." Die Strahlkraft der Sonne ist ebenfalls ein wiederkehrendes Motiv auf "Hypnophobia". Das zeigt, dass das Album – der Angst im Titel trotzend – auch mit zuversichtlicher Fantasie und mystischer Verklärung die Beantwortung der Fragen des Seins angeht. Im achtminütigen Kernstück "Before the dawn" schwingt das Pendel dann ausdauernd aus. Spätestens diese Verbindung aus monotonem Schlagzeug, selten eingesetzten, aber verzerrten Gitarrengriffen und nostalgischen Synthieflächen lädt jegliche Gedanken zum Abschweifen ein. "All over" gibt sich schließlich noch programmgetreu als Weckruf, spielt die Schlussakkorde geradezu feierlich und gestaltet den Übergang in den Wachzustand so angenehm sanft. Glücklicherweise müssen nicht alle Träume mit dem panischen Abtasten der oberen Zahnreihe enden.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Another you
- Grey lanes
- Before the dawn
Tracklist
- Another you
- Grey lanes
- Brightly
- Find yourself
- Face to face
- Outside forever
- Before the dawn
- Hypnophobia
- Make me see
- All over
Im Forum kommentieren
carpi
2015-06-09 19:06:16
Schöne Platte mal wieder, habe sie aber erst einmal gehört und bin mir noch nicht sicher, ob sie an das Debut heranreicht. "Hypnophobia" sticht in der Tat positiv heraus.
nörtz
2015-06-09 17:59:17
Gefällt mir!
Bevor das hier untergeht, solltet Ihr Euch mal "Hypnophobia" und "Find Yourself" auf seiner Soundcloud-Page anhören.
Armin
2015-06-04 00:09:19
Frisch rezensiert. Meinungen?
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