
Rolo Tomassi - Grievances
Holy Roar / Al!veVÖ: 29.05.2015
Über Bord
Die haben ein Album von Diplo produzieren lassen! Das ist zumindest die zentrale Erkenntnis, befragt man das Internet nach Rolo Tomassi. Das Ergebnis dieser unwahrscheinlichen Kooperation hieß dann "Cosmology" und hat inzwischen auch schon wieder fünf Jahre auf dem Buckel. Fünf Jahre, in denen sich Rolo Tomassi wieder aus den Sphären der hyperventilierenden Presse zurückzogen, ein weiteres Album veröffentlichten und die halbe Band neu besetzen mussten. Was die Truppe um Eva und James Spence nicht daran hindern konnte, fast pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum mit "Grievances" eine neue Platte parat zu haben.
Die hat dann zwar mit Diplo erwartungsgemäß absolut nichts am Hut, sorgt aber dennoch für so manch unverhoffte Begegnung von Unterkiefer und Tischkante. Allein schon, weil das Begrüßungskomitee "Estranged" das Händeschütteln einfach kurzerhand durch gezielte Faustschläge ersetzt. In genau die Gegenden, wo es am meisten schmerzt, versteht sich. Ob man da jetzt "Jazz-", "Math-" oder "Hard-" vor das allgegenwärtige "Core" setzen will? Nebensache. Hauptsache ist erstmal, dass es ordentlich knallt. Dementsprechend wenige Verschnaufpausen gönnt sich der Song, metert in unter drei Minuten alles nieder und findet doch am Rande irgendwie Zeit, sich ein bischen am lupenreinen Punk zu versuchen. Liebe Grüße an The Hirsch Effekt inklusive. Das folgende "Raumdeuter" darf dann all denjenigen, die bislang noch keine Bekanntschaft mit Eva Spences Gesang gemacht haben, selbigen zu mächtigen Gitarrenwänden und malträtierten Becken ausführlich vorstellen. Fast entmenschlicht thront ihre Stimme da über dem Song, bringt auch das letzte Nackenhaar in Habacht-Stellung und bewahrt sich in all dem Chaos doch eine gewisse Anmut.
Anmut in brachialer Intensität trägt auch die Musik in sich, wenn "Crystal cascades" plötzlich eine ganze Menge Licht in diese sonst in stockdunklen Farben gehaltene Dystopie bringt. Mit vorsichtigem Klavier und zerbrechlichen Streichern. Mit jubilierendem Gesang. Mit einem nach ganz weit draußen strebenden Finale. Ein Bruch, der seine Hörer zwar unvermittelt trifft, aber doch nötig ist, um "Grievances" unbeschadet zu überstehen. Bis zu diesem Song muss man es ohnehin erst schaffen. Und auf dem Weg warten durchaus noch schwer verdauliche Brocken. "Opalescent" zum Beispiel, das nach einer gewissen Anlaufzeit mit dem mächtigsten Rhythmusfundament, das die Welt in jüngerer Vergangenheit gesehen hat, nach vorne poltert und sich doch den Luxus gönnt, seinen endgültigen Ausbruch nach über vier Minuten nur anzudeuten. Oder das vorab veröffentlichte "Stage knives", das von der ersten Sekunde an keine Gefangenen macht und trotzdem niemals die Atmosphäre aus den Augen verliert.
Das sind Songs, die sogar einer Kollaboration mit Diplo einen tieferen Sinn verleihen können. Weil Rolo Tomassi mit diesem Album sämtliche Konventionen über Bord gehen lassen. Genres geben sich gegenseitig die Klinke in die Hand, Momente des finstersten Durcheinanders gehen schlüssig in strahlende Klarheit über. Das alles passiert, ohne dass die Band jemals ernstlich Gefahr läuft, den roten Faden zu verlieren. Im Gegenteil, wer ganz zum Schluss mit "All that has gone before" eine derart eindrucksvolle Kirsche aufs Sahnehäubchen setzen kann, weiß ganz genau, was er da tut. So haben sich Rolo Tomassi zum Zehnjährigen mit dieser Platte wohl selber das schönste Geschenk gemacht. Auf die nächsten zehn Jahre.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Estranged
- Stage knives
- Crystal cascades
- All that has gone before
Tracklist
- Estranged
- Raumdeuter
- The embers
- Prelude III (Phantoms)
- Opalescent
- Unseen and unknown
- Stage knives
- Crystal cascades
- Chandelier shiver
- Funereal
- All that has gone before
Im Forum kommentieren
MasterOfDisaster69
2015-12-07 17:44:24
immer noch knapp in den Top5 des Jahres.
Leider noch nie live gesehen...
https://www.youtube.com/watch?v=3mAWzyeRvoc
Affengitarre
2015-10-06 17:34:20
Jo. Die waren das Jahr auf einer Reuniontour und wollen bald ein neues Album herausbringen. Am Abend wurde sogar ein neuer Song gespielt, der vielversprechend klang.
The MACHINA of God
2015-10-06 17:24:15
Wie? Fall of Troy gibt es wieder?
Affengitarre
2015-10-06 17:15:37
24.08.15 Köln
25.08.15 Hamburg
26.08.15 Berlin
Ich war am 26.08 in Berlin.
The MACHINA of God
2015-10-06 17:10:34
Wann war das denn?
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