Florence & The Machine - How big, how blue, how beautiful

Island / Universal
VÖ: 29.05.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Allerleid

"Don't touch the sleeping pills, they mess with my head" sind die ersten Worte auf "How big, how blue, how beautiful", dem dritten Studioalbum von Florence & The Machine. Ohne die Mitarbeit der anderen Bandmitglieder zu schmälern, bleibt Florence Welch Gesicht, Frontfrau und Leben der Truppe. Ihr ist die Aussage medikamentöser Abkehr zuzurechnen, ihre Erfahrungswelt bildet das textliche Fundament einer Platte, die sich mit der Aufarbeitung menschlicher "Handlungsidiotie" auseinandersetzt. Warum stürzen sich zwei Personen in eine Beziehung, obwohl beide wissen, dass sie auf Dauer nicht gut ist? Warum etwas aufbauen, um es dann mutwillig zu zerstören? Warum Trinken für einen Augenblick der Besserung, um danach zwei Schritte tiefer zu fallen? "Did I build a ship to wreck?", fragt die 28-Jährige im Opener resümierend mit Fleetwood Mac im Ohr. Das Wehklagen erhält dabei weniger Raum als das Element des Erkennens, Begreifens und Verstehens.

Der Titeltrack meldet sich aus den Untiefen des Gemüts aus einem Haufen Asche: "Between a crucifix and the Hollywood sign we decided to get hurt / Now there's a few things we have to burn." Anschließend aber mimt Welch die Aufgeräumte, sie weiß, ein "Es hat nicht sollen sein" verdient mehr als ein weinendes Auge: "How big, how blue, how beautiful". Für Florence & The Machine sind das normalerweise Signalwörter, Zeilen, die Bombast bedingen. Zwar ertönen auch hier, besonders in den letzten anderthalb Minuten, Bläser-Fanfaren und Streicher-Wogen, aber Flöte, Harfe und Akustikgitarre nehmen der Opulenz lange Zeit etwas Druck vom Kessel. Gemeinsam mit Produzent Markus Dravs (Björk, Coldplay, Arcade Fire) gewinnen Songs wie der Bassline-König "Queen of peace" an stattlicher Statur, sind aber luftiger bestückt als etwa "Shake it out" oder "No light, no light". Und Welchs kraftstrotzende Stimme bleibt eine Waffe.

Die rothaarig gefärbte Indieelfe ist jederzeit im Stande, jedwedes Bremspedal zu zerschmettern. Sie muss es aber nicht. Was sie bereits im filmischen Arrangement von "Various storms & saints" demonstriert, wird zur großen Errungenschaft von "How big, how blue, how beautiful": der Zügelung von Welchs Lungenvolumen, ohne ihre Präsenz zu blockieren. Etwas, das für die "MTV unplugged"-Platte ein lediglich partikular eingelöstes Versprechen blieb. So zurückgenommen und soft wie in "Long & lost" hat man die Dame am Mikro noch nicht erlebt. Mehr noch: Für "St. Jude" erhebt Welch gar kaum ihre Stimme, und es ist nicht minder wunderbar, wenn sie wie hypnotisiert zu kleben scheint an den leisen Tönen der dominanten Oboe: "Maybe I've been always more comfortable in chaos."

Sorge um ein Sitzkonzert der Band muss man sich aber nicht machen. Gut, nachdem Welch sich beim Coachella-Festival den Fuß gebrochen hat, sitzt vorübergehend die Frontfrau von Florence & The Machine höchstpersönlich, nach der Genesung dürfte das aber alsbald hinfällig werden. Schließlich wirft die 28-Jährige einer Liebe der Abhängigkeit in "What kind of man" angefressen ein Riff an den Kopf und bittet "Delilah" zum Tanz: "I'm gonna be free and I'm gonna be fine / But maybe not tonight." Die Britin wird hier zu ihrer eigenen Background-Sängerin, und nach dem mahnenden Piano-Part addiert der Track Tonspur um Tonspur. Das Handclap-Beat-Gebilde "Third eye" erinnert an "Dog days are over", ohne dessen Brillanz zu erreichen, und "Mother", an dem auch Stammproduzent Paul Epworth mitgewerkelt hat, endet nach fünfminütigem Soul-Psych-Blues-Rock mit Gitarren-Feedback. Die Unstetigkeit in Welchs Leben, das Aufweichen beinahe sakrosankter Opulenz, die Demaskierung des Haderns, all das macht ihr drittes Album zum ausgeglichensten von Florence & The Machine. "Hold on to your heart, don't give it away." Nachschub für den Karma-Kalender gibt es obendrein. Die Work-Life-Balance hat keinen Ausschlag mehr.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • What kind of man
  • Various storms & saints
  • St. Jude
  • Mother

Tracklist

  1. Ship to wreck
  2. What kind of man
  3. How big, how blue, how beautiful
  4. Queen of peace
  5. Various storms & saints
  6. Delilah
  7. Long & lost
  8. Caught
  9. Third eye
  10. St. Jude
  11. Mother
Gesamtspielzeit: 48:46 min

Im Forum kommentieren

Ian

2017-10-24 21:02:24

Wow. Was für ein Album. 8/10 hätten es auch getan...

Dan

2015-10-23 19:18:25


Fand die Platte am Anfang auch gar nicht mal sooo gut wie die ersten davor, mittlerweile ist das Album so oft rotiert...

Glaube fast, dass es ihr bestes ist. Grower ohne Ende, jedenfalls bei mir.

Menikmati

2015-10-23 15:24:08

@Leatherface danke dir für die Einordnung!

Menikmati

2015-10-23 15:23:18

Ich bin dem Pomp eben auch nicht abgeneigt. Aber es stimmt schon: Ceremonials funktioniert nur in einer gewissen Stimmung, wohingegen die Neue etwas "alltagstauglicher" daherzukommen scheint..

Demon Cleaner

2015-10-23 14:30:43

Pomp findest du hier auch noch genug. ;-)

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