Mark Knopfler - The ragpicker's dream
Mercury / UniversalVÖ: 23.09.2002
Zupfgeigenhansel
"German beer is chemical free / Germany's okay with me". Kann man einem Mann, der solches singt, wirklich böse sein? Selbst dann nicht, wenn es sich um Mark Knopfler handelt, der sich womöglich nur bei seinen deutschen Fans einschleimen will? Genau wie die Diskussion über die Qualität einheimischer Biersorten stürzen Differenzen über den ehemaligen Kopf der Dire Straits bekanntlich interessierte Familien in tiefe Sinnkrisen und treiben tiefe Gräben durch die Nation. Aber ebenso natürlich, wie solche Übertreibungen zum Geschäft des Musikrezensenten gehören, wird "The ragpicker's dream", der neueste Versuch des Briten, die Zielgruppe zu ungestümen Plattenkäufen animieren. Solche Selbstläufer muß man nicht hinterfragen. Echt nicht.
Und dennoch wundert sich vielleicht mancher, warum denn die (vorzugsweise nicht mehr ganz so jungen) Massen zum CD-Dealer ihres geringsten Mißtrauens strömen, um sich - so das Klischee - schmelzig-schmalzigen Folkpop, der spätestens seit Mitte der Achtziger gerichtlich untersagt sein sollte, anzueignen. Stellt man aber die durch die nicht immer nur mäßigen Vorgänger genährten Vorurteile einmal beiseite, stößt man gleich mit den ersten Takten des Albums auf eine durchaus angenehme Überraschung. "Why aye man" gibt sich zunächst als spartanischer Folksong aus, wird dann plötzlich zum beherzten Schunkler und endet doch als typischer Knopfler.
Das heißt im Jahre 2002, daß sich einfühlsames Gitarrengekrächze mit gelegentlich ausladenden Arrangements herumschlagen muß, während der chronisch heisere Engländer in Songs zwischen Folk, Jazz, Blues, viel Pop und immer mehr Country zeigt, daß ein notorischer Grummler durchaus ein feines Gespür für Ironie besitzt. Da besingt er die Freuden anständigen Schuhwerks ("Quality shoe") oder die eines angemessenen Alkoholpegels in der Fremde (eben jenes "Why aye man"). Dann wieder flitzt er im düsteren Hillbilly "Marbletown" über das Griffbrett, um nach Leadbellys Dämonen zu suchen. "Gonna flip me a cannonball / That won't stop for anyone." Schick. Leider gähnt aus Songs wie dem schäbigen "Coyote" oder dem in der Blues-Embryonalliga spielenden "You don't know you're born" auch immer wieder herzhafte Langeweile heraus.
Letztlich kann man aus "The ragpicker's dream" so manche Lehre ziehen: Nicht alles an den Dire Straits war schlecht. Je weniger Ballast Knopflers Songs belastet, desto angenehmer klingen sie. Sein Beinahegesang trägt auch in gelungeneren Passagen nicht länger als eine Viertelstunde am Stück. Gitarrengötter™, besonders deren graumelierte Bauart, sollten die Finger von Drumloops lassen. Lieber sollten sie ein paar Kumpels zusammentrommeln, Waschbrett und Fiddle schnappen und fröhliche Abschiedslieder für abgereiste Erzeuger pfeifen ("Daddy's gone to Knoxville"). Das ist zwar längst nicht immer spannend, aber doch wenigstens unterhaltsam. Und ist man erst einmal mindestens ein Jahrzehnt älter als heute, kann man Alben wie diese vielleicht sogar richtig genießen. Bis in zehn Jahren dann, Mr. Knopfler.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Why aye man
- Marbletown
- Daddy's gone to Knoxville
Tracklist
- Why aye man
- Devil baby
- Hill farmer's blues
- A place where we used to live
- Quality shoe
- Fare thee well Northumberland
- Marbletown
- You don't know you're born
- Coyote
- The ragpicker's dream
- Daddy's gone to Knoxville
- Old Pigweed
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