Róisín Murphy - Hairless toys
PIAS / Rough TradeVÖ: 08.05.2015
Endstation Gähnsucht?
Haarlos und verspult, das trifft es ganz gut, was alles auf dem frisch eröffneten Abenteuerspielplatz von Róisín Murphy herumtollen darf. Der verpeilte Apotheken-Jazz von "Ruby blue" hat demnach weiterhin Stubenarrest. Die Gardinenpredigt in Sachen schockgefrorenem Elektro-Funk namens "Overpowered" klingelt schließlich manchem bis heute in den Ohren. Und wer waren bitte gleich diese ominösen Moloko?
Also noch einmal von vorn. Denn wenn man eines von der quirligen Irin behaupten kann, dann, dass sie nicht an Konventionen gebunden oder gar auf Wiederholungen ausgerichtet ist. "Hairless toys" verblüfft nach acht Jahren des Langspieler-Zölibats und zweier Babypausen mit spärlichen, oftmals artifiziellen Grübeleien: Als ob Goldfrapp ihre süße Massentauglichkeit zugunsten einer ähnlich klaustrophoben Grundstimmung geopfert hätten, wie sie für das Minimal-Techno-Duo Louderbach maßgebend ist. Missgünstigere Zeitgenossen würden an dieser Stelle vermutlich sogar das Warnschild "Vorsicht, Kunst!" aufstellen. Denn Murphy klingt aktuell tatsächlich mehr nach Documenta 14 und weniger wie erlesene Tanzwut mit Beischlafhintergrund. Was nicht unbedingt absehbar war.
Zumindest ist der Mann an den Tasten immer noch der alte geblieben: Eddie Stevens, barfüßiger Live-Keyboarder seit seligen Moloko-Tagen, und nunmehr ausführender Produzent von "Hairless toys". Ihm verdanken die acht Songs ihre ausladende Verschrobenheit. Denn Murphys drittes Soloalbum ist vor allem reine Kopfsache. Es will lieber verstören als betören. Und das gelingt diesem Werk auch ganz vorzüglich: Seltsamer die Glocken nie klangen als in "Gone fishing", jenem spröden Tanztee-Gelöbnis für angehende Autisten. Die mutierten Funk-Akkorde, die in "Evil eyes" eine verwirrt mit dem Becken kreisende Rhythmusfigur umschmiegen, gebärden sich dabei keinesfalls weniger widerspenstig als die abgesoffenen Flächen und torkelnden Percussions von "Exploitation", der zutiefst deliranten Idee einer Singleauskopplung.
Kaum vorstellbar, dass so etwas auch nur für einen Moment in irgendwelchen Charts auftaucht. Murphy fragt deshalb nicht ganz grundlos und mit einem schelmischen Augenzwinkern "Who's exploiting who?" – die Antwort darf sich jeder Hörer gerne selbst geben. Und zur genmanipulierten Rumba von "Uninvited guest" wahlweise mit den Augenbrauen oder den Schultern zucken. Falls er nicht längst beim rezeptpflichtigen Betäubungsmittel-Blues "Exile" seiner Sinne beraubt wurde.
Dennoch: Einschlafen möchte bestimmt niemand zu solch psychotischer Gute-Nacht-Musik. "Hairless toys" verdient trotzdem einen Preis für Unerschrockenheit und Experimentierfreude, nicht bloß für das liebkosende Finale "Unputdownable" mit all seinen Twists und Überraschungseiern. Selbst, wenn diese Platte die meisten Menschen angesichts ihrer komatösen Klänge eher in die Flucht treiben wird: Das hier ist keine Endstation, es wird immer weitergehen. Gähnen?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Unputdownable
Tracklist
- Gone fishing
- Evil eyes
- Exploitation
- Uninvited guest
- Exile
- House of glass
- Hairless toys (gotta hurt)
- Unputdownable
Im Forum kommentieren
ummagumma
2015-05-15 09:01:32
House of glass ist mein Highlight.Die Melodie ist saugeil, könnte ich mir gerne auch als Endlosschleife anhören.
Wie sie dann auch noch stellenweise da reinhaucht,die Stimme ist eh schon so sinnlich und klasse sieht sie ja auch noch aus.Hach ja^^
Die Stimmung von House of glass oder Exploitation oder auch dem Titelstück würde ich mir auf Albumlänge wünschen, der Rest fällt da aber leider etwas ab oder geht in andere Richtungen, wirkt auch manchmal etwas verspielt wenn ich so an den Anfang von Evil Eyes oder von Uninvited guest denke.
Insgesamt kann man das Album aber gut durchhören
Leatherface
2015-05-13 08:11:28
Ich höre das wirklich erstaunlich gerne, dafür dass es schon ein bisschen unhandlich ist. Sehr stimmungsvoll und spannend zu hören und obwohl sehr tiefenentspannt doch immer wieder zum mitgrooven anregend. Und "Exploitation" ist sogar ein richtiger Ohrwurm, von der ungewöhnlichen Sorte.
Cosmig Egg
2015-05-08 18:33:43
ich muss mir das noch ein paar mal anhören, bevor ich mir ein Urteil erlauben kann. Ist schon wesentlich ruhiger als die Vorgängeralben. Aber das hat ja nix zu sagen.
Mixtape
2015-05-08 13:51:17
Es ist sehr ruhigund experimentell, aber gefällt mir ganz gut.
afromme
2015-05-08 10:36:11
Neues Album heute draußen, hat's schon irgendwer in Gänze gehört?
SPON vergibt 7.8/10
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