And So I Watch You From Afar - Heirs
Sargent House / CargoVÖ: 08.05.2015
A long way down
Beim Cover ihres vierten Albums "Heirs" haben And So I Watch You From Afar ein überraschend glückliches Händchen bewiesen, das muss man den Herren neidlos anerkennen. Nach der verstörend wirkenden, scheinbar postapokalyptischen Welt, die noch das Artwork ihres selbstbetitelten Debüts zierte, dem etwas unkreativ anmutenden Logo des Zweitlings "Gangs" und dem schlicht hässlichen Cover von "All hail bright futures" war es dafür auch mal Zeit. Eine malerische grüne Berglandschaft mit leichtem Blaustich – es könnte die irische Heimat zeigen –, ein großer Mond, der fast das halbe Bild einnimmt und ein über allem schwebender Astronaut. Sicher, das würde fast besser zu einer anderen Band im Post-Rock passen. And So I Watch You From Afar haben aber eh ganz andere Probleme. Denn wenn das Artwork des Albums mit zu den großen Highlights zählt, läuft irgendwas verkehrt.
Dabei fing alles mal wirklich gut und vielversprechend an. 2009 startete die damals noch als Quintett auftretende Band mit "And So I Watch You From Afar" durch, welches ein Jahr später auch in Deutschland erhältlich war, und brachte wieder etwas Leben in das angestaubte Genre. Zwei Alben lang konnte man sich auf intensive Melodien verlassen, die zwischen den beiden Extremen von roher Körperkraft und sensibler Fragilität wandelten. Dann kam der Ausstieg von Gründungsmitglied Tony Wright und mit ihm das Erkunden neuer Ufer für den Rest der Mannschaft. "All hail bright futures", das erste Album in neuer Formation, war beileibe nicht schlecht – und doch fehlte es an etwas, darüber konnte auch der Gesang nicht hinweghelfen, an dem sich das Quartett neuerdings ausprobierte. Das dritte Album strotzte vor euphorischen Songs, lebensbejahenden Hymnen – und ließ den Hörer und Fan der ersten Stunde doch ratlos und kalt zurück. Mit ihrem vierten Werk "Heirs" möchten And So I Watch You From Afar nach eigener Auskunft das Beerben neuer Ideen feiern. Schade, dass es dafür erstaunlich stark an seinen Vorgänger erinnert.
Der Opener "Run home" funktioniert dabei genau fünfzehn Sekunden wirklich hervorragend, auch wenn das bei der Band seit 2013 stattfindende exzessive Gegniedel nach wie vor gewöhnungsbedürftig ist. Dann startet der Gesang, oder vielmehr eine Aneinanderreihung mehrerer "Yo"s – ja, tatsächlich –, bis nach gut zwei Minuten Prog-Pomp endlich die wohlverdiente Ruhe eintritt. Die zweite Hälfte des Stücks, Gegniedel hin oder her, beweist, dass der Vierer es immer noch kann: eine bedeutende Rede zu halten, ohne dabei auf Worte angewiesen zu sein. "These secret kings I know" geht dennoch einen Schritt zurück, oder vielmehr in eine ganz andere Richtung, und baut sich als Mischung aus Indie- und Power-Pop auf, um Liebhaber des letzten Streichs vollends zu verwirren: Welches Album läuft eigentlich gerade? Ein ähnliches Gefühl macht sich in "People not sleeping" breit, das die Linie zwischen Pop und Post-Rock fast vollständig unkenntlich macht. Wie auch immer man das bewerten mag.
Tatsächlich ist es vor allem die zweite Hälfte von "Heirs", die dem Album über weite Strecken aus der Bedeutungslosigkeit hilft. Der Titeltrack, mit gut siebeneinhalb Minuten das längste Stück, beschränkt sich zunächst auf das Wesentliche und fährt mit stakkatoartigen Rhythmen auf. Nach und nach entsteht dabei ein dicht gewebter Klangteppich, während das zumindest ähnlich aufgebaute "A beacon, a compass, an anchor" gefühlt etwas länger braucht. Aus der anfänglich entstandenen Melancholie erhebt sich schließlich eine breite Gitarrenwand, die mächtig über den restlichen neun Songs thront und die einzureißen unmöglich scheint. Mit dem sphärischen "Tryer, you" gelingt And So I Watch You From Afar dann der vierte grandiose Abschluss in Folge, trotz oder womöglich sogar wegen des auch hier zumindest im Hintergrund zu hörenden Gesangs. Vielleicht ist es einfach endgültig Zeit, sich von der Band anno 2009 zu verabschieden. Ob man mit ihrer derzeitigen Entwicklung aber eine gleichermaßen starke Verbundenheit fühlen kann, bleibt fraglich.
Highlights & Tracklist
Highlights
- A beacon, a compass, an anchor
- Heirs
- Tryer, you
Tracklist
- Run home
- These secret kings I know
- Wasps
- Redesigned a million times
- People not sleeping
- Fucking lifer
- A beacon, a compass, an anchor
- Animal ghosts
- Heirs
- Tryer, you
Im Forum kommentieren
xtoolx
2015-05-16 13:06:04
Oh Gott... wie alle das Ding schon wieder "mies" machen. Habe es jetzt nen paar mal gehört und finde es gut. Nicht das Album des Jahres aber stark.
Das Debut KANN meiner Meinung nach gar nicht mehr getoppt werden.
Desare Nezitic
2015-05-15 18:06:14
Die Bewertung von Jennifer ist im Zusammenhang mit ihrem entscheidenden Satz zur Veränderung der Band sehr konsequent und nachvollziehbar.
Der Opener ist quasi ein Anhängsel des Vorgängers, ein sonniger und fröhlicher Track, der hyperkativ herumhüpft. Wahrlich das so ziemlich unoriginellste mit dem ASIWYFA das Album hätten eröffnen können. Diese bleibt Gangart den folgenden Songs erhalten, die Band als noch hymnischerer Backgroundchor als jemals zuvor mag damit jedoch immer schlechter passen. Nach anfänglicher Ernüchterung ist es dennoch möglich, sich mit diesem Reigen einigermaßen zu arrangieren, wenngleich einem keine Freude überkommt. Naja, immerhin "Redesigned a Million Times" weiß überdurchschnittlich zu gefallen, auch wegen des Vorhandenseins von richtigen Worten und Phrasen als Gesang.
Jennifer hat einfach recht, wenn sie die zweite Hälfte als die Stärkere hervorhebt. Genauer gesagt ab "A Beacon, a Compass, an Anchor" finden sich die meisten der guten Momente des Albums, die auch die meisten Anknüpfungspunkte zu den ersten beiden Alben beinhalten. Auch hier ist das Background"gejaule" (ein besserer Begriff war gerade nicht greifbar) etwas penetrant, fällt aber weniger ins Gewicht, da die Stücke ab hier allgemein weniger überzuckert sind und die Sonne nicht so sehr im Allerwertesten haben.
Auch mit "Heirs" haben ASIWYFA kein schlechtes Werk abgeliefert, aber ihr bislang Schwächstes, von den frühen EPs mal abgesehen. Zu lang wird das Konzept das Vorgängers weiter ausgereizt, wo es nichts mehr zum Ausreizen gibt; die zarte Rückführung zum alten Sound hätte gerne noch etwas weiter ausgearbeitet werden können. Dennoch eine 6.6, da die Band unterm Strich einfach eine Gute bleibt.
Highlights: "Redesigned a Million Times"; "A Beacon, a Compass, an Anchor", "Heirs"
The MACHINA of God
2015-05-07 12:24:37
@Desare:
Gute Wahl. Für mich auch immer noch der perfekte Brocken.
Desare Nezitic
2015-05-07 01:24:26
genau so ist es. danke, Steev Mikki. vielleicht sollte ich diesen "running gag" etwas vorsichtiger etablieren
Ich finde den "Drecksossi"-Gag viel, viel besser. Halte dich besser an dem.
Kann mich bisher nicht so wirklich mit dem neuen Album anfreunden. Mache ich einfach "Set Guitars to Kill" an. Was für ein Teil...
Achim
2015-05-06 23:37:55
genau so ist es. danke, Steev Mikki. vielleicht sollte ich diesen "running gag" etwas vorsichtiger etablieren, damit die nicht-power-user nicht auf eine falsche fährte geführt werden. kann ja nicht jeder 24/7 hier abhängen :D
das album ist stark. und was soll daran schlimmt sein, wenn es an den vorgänger erinnert? haben alben einer band halt so an sich.
Achim.
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