Built To Spill - Untethered moon

ATP / Membran
VÖ: 20.04.2015
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Hund, Katze, Maus

Was ist denn hier los? Da dauert es sechs lange Jahre, bis Built To Spill endlich den Nachfolger von "There is no enemy" rausbringen – die selbstveröffentlichte EP-Doppelspitze "The electronic anthology project" von 2010 und 2012 mal außen vor gelassen –, und die wichtigste Frage zum achten Album dreht sich um das Artwork. Sind das zwei Katzen? Eine ja auf jeden Fall. Aber das weiße Vieh rechts? Vielleicht ein Hund. Oder ein Hase? Eine Mini-Ziege, die ohne Probleme in ein schickes Herrenhandtäschchen passen würde? Oder doch eher ein Wolpertinger, der in kaltgewordenem Wurstwasser gebadet wurde? Im entsprechenden Thread im Plattentests.de-Forum ist man sich ebenfalls nicht ganz einig, was das Cover angeht. Dass "Untethered moon" wieder mal tierisch gut geworden ist, scheint hingegen ohnehin klare Sache zu sein.

Wer es ganz eilig hatte, konnte sich das gute Stück bereits am Record Store Day 2015 besorgen, für alle anderen war es ein paar Tage später verfügbar. Nach einigen Hördurchgängen ist klar: Wirkliche Rebel-Boys sind die Herren nicht, und wer hier besondere Experimente erwartet, wird sicher enttäuscht. Kein Grund aber für ein Magengeschwür: "Untethered moon" wartet mit zehn Stücken auf, die allesamt eine längere Halbwertszeit haben dürften als die beiden im Nachhinein etwas schnell abgekühlten letzten Alben. Aber seien wir ehrlich: Built To Spill sind nicht der HSV, der Dino-Status ist den Indie-Rockern nie zu Kopf gestiegen. Dass das Quintett unter Spielführer Doug Martsch ohnehin nichts falsch machen kann, bewies schon die erste Single "Living zoo", die keine Zeit vergeudet, um klarzumachen, wer im Indie-Rock den längeren (Katzen-)Schwanz hat: "Being a person / Being an animal, too / Being all alone and being all me and you / Cause we're lions in our cages / And tigers in tiny spaces." Der Song reibt sich am Hörer, krallt sich im Ohr fest und hinterlässt ein paar zum Glück nicht besonders schmerzhafte Kratzspuren unter der Haut. Das Warten hat sich gelohnt.

Auf "Living zoo" folgt "On the way" und darin ein weiterer Ausflug ins All: "On the way to Mars / We can reminisce a lot / Let's talk about the darkness and the stars / Talk about the people we might miss on Earth." Es ist eine versteckte, fast schon kindliche Form von Melancholie, die in Martschs Gesang mitschwingt und daher umso mehr berührt. Stellenweise erinnert das an das großartige "Perfect from now on" aus dem Jahr 1997, das trotz seiner knapp 20 Lenze nach wie vor so frisch klingt wie eh und je. Mit dem beinahe grungigen "Another day" gehen Built To Spill sogar noch ein paar Jahre weiter zurück und schrammeln sich in bester "Ultimate alternative wavers"-Manier durch die perfekte Spielzeit von gut drei Minuten. Deutlich entspannter gibt sich das selbstreferentielle "Never be the same", dessen herausragender Bass von Jason Albertini nicht nur im kommenden Sommer zu rhythmischen Tänzen auf der Veranda animieren dürfte.

Das herausragende Highlight des Albums ist jedoch ein anderes Stück. Zwar geht der fuzzige Opener "All our songs" mit über sechs Minuten Spielzeit früh in Führung, die er mit verzerrten Gitarren, nach vorne preschenden Drums und Martschs nachhallendem Gesang verstärkt: "And I knew when I woke up / Rock and roll will be here forever" – das klingt aufrührerisch und authentisch zugleich. Dennoch zieht "So" kurz vor Ende am Rest vorbei und sichert sich schon jetzt einen Platz auf der ewigen Liste der traurigsten Mitsing-Hymnen der Welt: "Looking for you I found / Nothing, nowhere, no one." Die rein instrumentalen letzten 40 Sekunden dürften zudem zu den besten der Band überhaupt gehören, fegen sie doch wie ein rücksichtsloser Tornado über alles hinweg, was sich ihnen in den Weg stellt – sie werden den Bund zwischen Built To Spill und ihrer seit Jahren treuen Fangemeinde dennoch nur noch mehr stärken. Ebenso wie der extralange Finaltrack "When I'm blind", der mit wilden Gitarren scheinbar noch ein letztes Mal klarmachen will, dass Martsch und seine Kollegen nach der längsten Pause zwischen zwei Alben, die sie je eingelegt haben, wieder zurück sind. Und wie.

Ach ja, und das weißhaarige Vieh ist natürlich eine Katze.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • All our songs
  • Living zoo
  • Never be the same
  • So

Tracklist

  1. All our songs
  2. Living zoo
  3. On the way
  4. Some other song
  5. Never be the same
  6. C.R.E.B.
  7. Another day
  8. Horizon to cliff
  9. So
  10. When I'm blind
Gesamtspielzeit: 45:55 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2021-11-09 20:35:50

Behaupte übrigens mal, dass das rechte Viech auf dem Cover noch nicht endgültig geklärt ist.

Telecaster

2020-05-18 22:44:14

Das Live-Album mag ich ja auch sehr gerne, auch oder grade weil es nicht so ein Greatest-Hits-Programm auffährt, wie das bei Live-Platten oft der Fall ist. Mit den Halo Benders, von denen sie darauf ja auch ein Stück spielen, werd ich leider nach wie vor nicht so recht warm.

The MACHINA of God

2020-05-18 17:07:06

@Gordon:
Kennst du das Live-Album?

Gordon Fraser

2020-05-18 14:46:16

Die sollten eh mehr gniedeln wie damals live...

Ich habe sie live noch nicht gesehen, aber zumindest aus Platte sind BTS viel stärker in den fokussierten Momenten ohne endloses Gegniedel.

Telecaster

2020-05-17 23:20:00

Die letzten beiden Male, als ich sie live gesehen habe, hat die Inspiration leider etwas nachgelassen. Die Besetzung bis vor Untethered Moon war deutlich besser.

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