Mumford & Sons - Wilder mind

Island / Universal
VÖ: 01.05.2015
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Milder Wind

Über Mumford & Sons wurde schon kübelweise Häme ausgeschüttet. Jene Bande Londoner Banjo-Buben, die maßgeblich Anteil an der neuerlichen Etablierung des Folk-Pop zwischen Flanell-Freunden und den Federn des Feuilleton hatte. Die Briten tourten unentwegt, wurden zur standardisierten Referenz und wohl darüber zur leichten Zielscheibe. Man hatte das Gefühl, dass die Dauerberieselung mit so schrecklichen Nummern wie "Ho hey" von den Lumineers Mumford & Sons zugeschrieben wurde, obwohl die gar nichts mit dem Song zu tun hatten. Jedenfalls ist es nur schwerlich zu erklären, wie – in der subjektiven Wahrnehmung – eine Band über einen kurzen Zeitraum derart viel an Reputation verlieren kann. Wo sich zu "Sigh no more"-Zeiten viele auf Konsens-Songs wie "The cave", "Little lion man" oder "White blank page" einigen konnten, schienen einige dieser Hörer beim mit Grammy dekorierten "Babel" der Mischung aus Folk-Pop, Folk-Rock, Americana und Bluegrass bereits überdrüssig. Allein mit geschmäcklerischen Differenzen ist dem wohl kaum beizukommen. Mumford & Sons wurden zu ungeladenen Gästen auf einer Party, die sie mitorganisiert hatten. Das, was sich nun Weiterentwicklung schimpft, fühlt sich an wie eine große Band-OP. Mumford & Sons lösen ihr Trademark aus dem Knochenmark.

Mehrstimmige Gesänge in der Tradition von Crosby, Stills, Nash & Young oder in der jüngeren Vergangenheit von Fleet Foxes wurden minimiert, das Banjo liegt inzwischen offensichtlich abgedeckt in einer Scheune hinter einem rostigen Traktor. Gerade mit jener Kombination und Marcus Mumfords charakteristischem Sangesorgan spielte die Band zweifelsfrei ganz fantastische Konzerte. Mehr denn je legt "Wilder mind" Augenmerk auf Live-Umsetzung. "Wir waren schon immer eine Rock-Band, wir haben bislang nur die falschen Instrumente gespielt", zitiert der NME Sänger Mumford, der die Kickdrum von der Bühne kegelte. Winston Marshall spielt statt Banjo E-Gitarre und Ben Lovett hat nach den Sessions in New York, London und Texas am Keyboard deutlich mehr Handlungsspielraum erhalten.

Um ganz ehrlich zu sein: Nach dem ersten Durchgang bleibt von "Wilder mind" wenig Memorables. Der straight aufbauende Stadionrocker "Snake eyes" und das choral befeuerte, coldplayeske "Only love" liefern jenen Ausbruch, den "Believe" nur halbherzig vollendet. Dagegen klingt das nölig abgeschmackte "Just smoke", als habe die Band Wettschulden bei Rea Garvey. Aber sonst? Erst einmal nicht viel, ein guter Fluss vielleicht, aber letztlich verklausuliert ein solches Attest nur charmant, wie träge und langweilig das alles doch über weite Strecken ist. Allerdings gilt es diesen Standpunkt doch stellenweise zu revidieren. Ein Beispiel: Der Titelsong ist rhythmisch nicht sonderlich anspruchsvoll, kontextuell aber ergibt diese Schlichtheit durchaus Sinn, da Mumfords Gesang nebst milden Keyboards in völlig unaufgeregter Atmosphäre eine neue Komfortzone entdeckt und aufblüht wie selten zuvor. So weit sind The War On Drugs in "Wilder mind" nicht entfernt.

Um diesen Referenzpunkt aufzugreifen: Wenn man sich für den Drum-Kit-Beat des Four-to-the-floor-Tracks "Ditmas" entscheidet und für die Krönung ein Riff aufbewahrt, dann doch bitte so, wie das The War On Drugs in Titeln wie "Red eyes" gemacht haben. Hier jedoch wirkt es wie eine unvollendete Bastelstunde. Da hätte der an Arctic Monkeys erprobte Produzent James Ford ruhig mal intervenieren können. Und ja, "The wolf" ist treibend, unter wirklichen Rocksongs aber doch so etwas wie die Pausentaste für Softpornos. Manchmal wagen Mumford & Sons bewusst den mysteriösen Stimmungsschleiertanz wie in "Broad shouldered beasts", an anderer Stelle aber scheint die alles durchfließende Melancholie den Grad eruptiver Möglichkeiten zu deckeln. Aber das Gemüt will ja auch nur wilder sein und nicht wild. Diesen Anspruch erfüllt das Album mit Nummern wie "Cold arms" zweifelsfrei. Deshalb färbte zwar die Aura von Aaron Dessners Studio in Brooklyn, wo einige der Demos entstanden, beispielhaft auf den prima Opener "Tompkins Square Park" ab und offerieren die Briten im Trackfinale die Light-Variante eines Strokes-Riffs. Aber letztendlich bleibt es ein Trennungssong von Mumford & Sons. Doch warum lassen wir nicht Milde walten? Die Band kann es doch auch.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tompkins Square Park
  • Wilder mind
  • Snake eyes
  • Only love

Tracklist

  1. Tompkins Square Park
  2. Believe
  3. The wolf
  4. Wilder mind
  5. Just smoke
  6. Monster
  7. Snake eyes
  8. Broad shouldered beasts
  9. Cold arms
  10. Ditmas
  11. Only love
  12. Hot gates
Gesamtspielzeit: 48:48 min

Im Forum kommentieren

musie

2015-05-09 10:42:34

ein hype im negativen sinn.. dabei wirklich gute Musik. zum beispiel der titelsong..

Leatherface

2015-05-08 12:46:47

Bei metacritic nun unter die magische 60 gerutscht.

Tobson

2015-05-08 09:08:22

"Wie wäre es mit der Option, deine Meinung einfach neutraler zu schreiben, ohne Leute mit anderer Ansicht und anderem Geschmack implizit oder explizit zu diffamieren? "

Ich gebe Demon Cleaner da uneingeschränkt recht, jedoch wundere ich mich, warum gerade in diesem Thread hierzu endlich auch mal Stellung bezogen wird, wo es doch seit langem in diesem Forum schon gängige Praxis diverser User ist, sich auf dieser herablassenden Schiene zu äußern (gerne auch in Threads zu Glauben und Religion).

M. Mumford

2015-05-08 06:03:43

Sorry guys, can we talk about our new record please?

Desare Nezitic

2015-05-08 00:09:00

Das meine ich voll ernte!

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