Chilly Gonzales - Chambers

Gentle Threat Ltd. / Indigo
VÖ: 20.03.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Der Entertainer und die Schuldfrage

Die Eigenlogik der Welt des Showbiz hat Jason Charles Beck früh durchschaut. Da sei jemand noch so talentiert, noch so begnadet, noch so eifrig — häufig entscheiden andere Faktoren wie Glück oder Vermarktbarkeit über eine Musikerkarriere. Unter dem Künstlernamen Chilly Gonzales musizierte er fortan im Morgenrock, versuchte sich an aberwitzigen Weltrekordversuchen (tagelanges Klavierspielen am Stück) oder mimte den Erklärbär der Hochkultur (in Videos oder seinen Notenbüchern für Nacheiferer).

Um die Jahrtausendwende gelang es dem humoristischen Gonzales, gepaart mit viel selbstironischer Eitelkeit, als "der schlechteste MC" bekannt zu werden. Später apostrophierte er sich als musisches Genie, den Zweiflern demonstriert er bei jeder Gelegenheit seine ausartenden Klavierläufe, zu denen er befähigt ist. Sich rückbesinnend auf die Rapper-Attitüden, lässt er für seine jüngste Veröffentlichung "Chambers" das Hamburger Kaiser Quartett repetitive Loops liefern. Exemplarisch: "Sample this". Gonzales fügt noch ephemere Klavierläufe bei, der Tastenschlag im Wechsel weich und dann wieder sforzato, plötzlich betonend. Auch in "Advantage points" tragen die Streicher das Lied, Gonzales hält sich zurück, liefert nur pointierte Einzeltöne oder Kurzmotive. Das Klavier wird stellenweise marginalisiert, um nur noch effektvoller hervorzuspringen. Bei "Freudian slippers" und "Solitaire" tauschen die Rollen: Das Klavier dominiert, die Streicher fügen bei.

Gonzales' Musik ist stets ins Korsett von Pop-Songs gezwungen, ob auf seinen berühmten "Solo piano"-Alben oder diesem kammermusikalischen Werk. Die zeitgenössische Klassik hat Probleme, Derartiges zu akzeptieren, leichtfingrige Flinkheit hin oder her, und Gonzales beschimpft diese Anmaßung und Süffisanz. Im Abschlusslied ("Myth me") von "Chambers" gibt sich Gonzales als wortspielender Crooner, der seinen leicht konsumierbaren Klassikpop besingt: "Are you still with me? / You're gonna myth me." In Amerika eher nicht. Dort ist Gonzales, wenn überhaupt, als Produzent und Studiomusikus für Drake, Feist oder Daft Punk bekannt. Deutschland hofiert hingegen den Kanadier, dessen Konzerte, ob in Philharmonien oder Indie-Hallen, meist ausverkauft sind.

Entmystifiziert oder mystifiziert er globale Pop-Phänomene, wenn er sie auf Brahms, Beethoven oder Bach zurückspinnt? Wenn er den musikhistorischen Bogen von Kanye West auf die Megalomanie Richard Wagners bezieht und Daft Punks "Aerodynamic" als ein Bach-Arpeggio in Metal-Gewandt versteht? Eine von vielen Fragen ohne Antworten.

(Maximilian Ginter)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Advantage points
  • Sample this
  • Switchcraft
  • Myth me

Tracklist

  1. Prelude to a feud
  2. Advantage points
  3. Sweet burden
  4. Green's leaves
  5. Freudian slippers
  6. Solitaire
  7. Odessa
  8. Sample this
  9. The difference
  10. Cello Gonzales
  11. Switchcraft
  12. Myth me
Gesamtspielzeit: 39:37 min

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Armin

2015-04-22 21:17:11

Frisch rezensiert! Meinungen?

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