Vierkanttretlager - Krieg & Krieg

Buback / Indigo
VÖ: 17.04.2015
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Hass ist meine Religion

Schon Tolstoi wusste bei seinem literarischen Klassiker "Krieg & Frieden": Es gibt zwei Seiten der Medaille. Doch falsch gedacht, zumindest wenn es nach der Husumer Band Vierkanttretlager um Sänger Max Leßmann geht. Die Band zeigt eindrucksvoll auf ihrem zweiten Album "Krieg & Krieg": Es gibt keinen Frieden für diese Welt. Mittlerweile lebt die Band in Hamburg und wird wahrscheinlich allein aufgrund der geografischen Übereinstimmung oft in Verbindung mit der Hamburger Schule gebracht. Allerdings scheint sich, seit es Bands wie Die Nerven, Leo Hört Rauschen und Isolation Berlin gibt, eine neue musikalische Stimme in der hiesigen Musikszene zu formieren. Diese neue Schule steht für einen anderen Zugang zu den Kernthemen einer scheinbar verlorenen Generation. Während es bei Die Sterne, Tocotronic und Co. gern schnell abstrakt und diskursgeladen daherging und -geht, formulieren diese neuen Bands in einfacheren Formeln, die direkt, mitten ins Gesicht des Hörers geschrien, ihre Wirkung selten verfehlen.

Was sie treibt, scheint einer der wichtigsten und fast vergessenen Motoren der Rockgeschichte überhaupt zu sein, was sie antreibt, ist Wut. Die gute alte Wut hat uns alle schon in ungemütliche Situationen gebracht, sie übergeht das rationale Denken und liefert uns Menschen ganz und gar unseren Emotionen aus. Doch der Kampf, der in den alten Tagen der Hamburger Schule noch der Gesellschaft galt, gilt auf "Krieg & Krieg" vor allem auch dem eigenen Ich. Hier wird ein innerer Krieg ausgekämpft. Wer hier auf "Play" drückt, sieht sich erst mal mit Hass und Selbstaufgabe konfrontiert. In "Blumenkränze und Applaus" spielt Leßmann die Rolle eines modernen Jesus, der für die ganze Menschheit büßt: "Und all den Hass, den Ihr haben könnt / Hab ich schon auf mich geladen / Ist das nicht fürchterlich / Und wunderschön zu gleichen Teilen." Die Musik kommt genauso roh und direkt wie solche Zeilen daher. "Butterfahrt nach Camelot" klingt beispielsweise nach modrigem Probekeller, ungeschönt, direkt, schmutzig und unendlich ehrlich zugleich. Und dann wartet es mit zerstörerischen Zeilen auf wie: "Es gibt nichts Gutes, besser man lässt es ganz", die dem Hörer endgültig zeigen, dass es keinen Sinn mehr macht, alles keinen Sinn mehr macht. Vierkanttretlager rennen dem Tod in die offenen Arme und machen sich dadurch frei von den Zwängen des Lebens, ein neuer Grad von Freiheit.

Dagegen klingt ihr Erstling "Die Natur greift an" fast schon nett mit seinen süßlichen Indie-Gitarren-Melodien und den buttrigen Hooks. Davon ist auf "Krieg & Krieg" wenig zu hören. Neben all dem Hass findet sich wohl einer der unschönsten schönsten Liebesbekenntnisse auf der Platte. In "Schweigen" haut Leßmann zerrissene Zeilen raus wie: "Die letzten Nächte waren Schrei, diese wird Schweigen sein." So schlimmschön kann nur Liebe sein. Dafür braucht die Band nicht mehr als die kratzig kehlige Stimme Leßmanns und eine Lofi-Akustikgitarre.

Also was tun mit all dem Hass? Man kann den Kopf schütteln und sich sagen, so gehe es ja auch nicht, das sei doch total destruktiv. Oder man versteht es als Provokation, formuliert eine eigene Position. "Krieg & Krieg" ist ein mutiges Bekenntnis dazu, dass etwas nicht stimmt mit uns. Vielleicht nicht schön, aber wahr.

(Konstantin Maier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Blumenkränze und Applaus
  • Butterfahrt nach Camelot
  • Schweigen

Tracklist

  1. Krieg & Krieg
  2. Lass uns den Verstand verlieren
  3. Blumenkränze und Applaus
  4. Narben
  5. Kaktusblüte
  6. Wer tot ist
  7. Butterfahrt nach Camelot
  8. Der letzte Satz der Welt
  9. Jetzt für immer
  10. Schweigen
Gesamtspielzeit: 32:00 min

Im Forum kommentieren

musie

2015-10-20 08:13:19

live wars leider schrecklich. entweder der sänger hat so getan als ob er betrunken wäre oder er war wirklich sternhagelvoll. gesanglich wars dann entsprechend. vielleicht wollen sie wie wanda sein, und waren ja auch schon vorher da. aber wanda kann nur aus wien kommen, so schauts aus.

Scholz

2015-10-19 21:24:04

Ihre Texte, der beanspruchte expressionistische Tiefgang, diese ganze bemühte, mortale Punk-Attitüde wirken auf mich auf merkwürdige Weise angeklebt und durchkalkuliert. Leider: Der Gesang von Max Leßmann gibt mir nichts. Phonetisch geht's am Ohr vorbei, poetisch trifft es das Herz nicht, intellektuell fordert es das Hirn nicht - die Ironie zündet nicht, und die Rebellion nehme ich ihnen nicht ab.

eric

2015-04-16 11:04:25

Was ich da höre, klingt fein.

Ituri

2015-04-14 16:53:20

Klingt alles gut...nur das Cover stört mich ein wenig.

Aber bin froh, dass es Neues gibt!

musie

2015-03-27 09:25:49

richtig gutes neues lied:

https://www.youtube.com/watch?v=ZfHV4jqwLgI

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