Gallows - Desolation sounds
Venn / PIAS / Rough TradeVÖ: 10.04.2015
Gewohnheitsbrecher
Mehr Sport, weniger Alkohol und endlich mal damit aufhören, das Rauchen immer wieder anzufangen. Und mal all das erledigen, was sich auf dem Schreibtisch zu Stapeln in die Höhe prokrastiniert hat, weil man es dort schon seit Monaten vor sich hinstauben lässt. Wie schwer das ist, darüber können nicht nur Freunde von Neujahrsvorsätzen üppige Essays schreiben. Sicherlich, es gibt Techniken und mittlerweile auch Verhaltenstherapien, um da voran zu kommen. Aber grundsätzlich ist Aufschieben wohl zutiefst menschlich. Man ändert sich eben auch nicht so leicht. Auch Musiker, vor allem in der von Haltung und Tradition geprägten Punk- und Hardcore-Szene, krempeln ihren Stil eher selten um. Braucht es oft auch nicht. Man bekommt, was man erwartet. Punkrock als, streng genommen, getarnt-kantiges Produkt der spießigen Gewohnheit?
Nicht zwingend. Dass eine Wandlung möglich ist und mitunter förderlich, weil sie völlig neue Perspektiven und Atmosphäre zulässt, haben kürzlich erst Title Fight mit "Hyperview" bewiesen. Dass eine gewisse Veränderung trotz vermeintlich starrer und kaum innovativer Sound-Welten des Hardcore auch musikalisch durchaus naheliegen kann, beweisen nun Gallows mit "Desolation sounds". Eingefleischte Anhänger der vier Briten müssen jetzt aber nicht zusammenzucken: Um Hollywood-Kinofilm-Halbballaden oder schmierigen Emo-Rock macht die Band glücklicherweise weiterhin einen großen Bogen. Und dem Traditionsmenschen den Einstieg in diese Platte gewiss nicht schwer: "Mystic death" vereint tiefe Gitarren, drückendes Drumming und Shouting-Einlagen in typischer Gallows-Manier.
Gar so richtig in der Hardcore-Pfütze gräbt "Leviathan rot", während sich der Titelsong einer ebenfalls vertrauten Liaison aus Rock'n'Roll und Schmutz hingibt. Bei aller Kraft und den Trademarks, die Gallows zurecht zu einem der Zugpferde der jüngeren Hardcorepunk-Generation gemacht haben, sind diese Tracks aber nicht diejenigen, die man als sonderlich anders herausstellen müsste. Dieses Prädikat beansprucht schon eher "Bonfire season", ein düster-melodisches Biest, das Slacker-Attitüde zulässt und mit seiner dunklen, meldodieverliebten Seele zwar druckvoll bleibt, aber musikalisch nicht allzu weit weg ist von Siouxsie And The Banshees.
Auch "Cease to exist" lässt die stadtbekannte Prügelbande außen vor, doch schafft gerade darum eine atemberaubende Stimmung, getragen von Wade MacNeils gehaucht-rauchigen Vocals und äußerst pointiertem Gitarrenzucken. Ja, es sind auch die feinen Ideen von Laurent Barnard an der Gitarre, die dazu beitragen, dass "Desolation sounds" der wohl bisher abwechslungsreichste Gallows-Streich geworden ist. "Chains" reiht sich da ein: Zunächst lockt der Track mit einer zarten Frauenstimme in seine düster anmutenden Fänge, lässt Vater Hardcore sich schwermütig austoben, um ihn dann samt Chor an festgezurrter Post-Rock-Leine wieder auszuführen. Denn dort geht dann zu "Swan song" und dem ausdauernden, in Tempowechsel zirkulierenden Brecher "Leather crown" längst wieder die Pogo-Post ab. Zu sehr braucht's dann doch einfach die Gewohnheit.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Chains
- Bonfire season
- Leather crown
- Cease to exist
Tracklist
- Mystic death
- Desolation sounds
- Leviathan rot
- Chains
- Bonfire season
- Leather crown
- 93/93
- Death valley blue
- Cease to exist
- Swan song
Im Forum kommentieren
eric
2015-09-03 15:44:43
Ziemlicher Langzeit-Grower, das Ding. Bei mir mittlerweile in den Jahres-Top-10.
Walenta
2015-04-16 14:02:02
(Y)
eric
2015-04-16 11:17:30
Hab' ich wohl als Ersatz für einen der Carters verstanden, aber stimmt, die waren mal zu fünft. Danke!
Walenta
2015-04-16 11:12:25
Bewertung geht wohl in Ordnung, aber:
"Eingefleischte Anhänger der vier Briten"
--> Drei Briten, ein Kanadier.
"feinen Ideen des neuen Gitarristen Laurent Barnard"
--> der ist seit der Bandgründung 2005 mit an Bord.
Ein Blick auf Wikipedia kann manchmal nicht schaden. ;-)
Armin
2015-01-21 19:22:20
VÖ 10.04.
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