East Cameron Folkcore - Kingdom of fear
Grand Hotel van Cleef / IndigoVÖ: 10.04.2015
Von den Verhältnissen
"Wo alle sich an allen bereichern, da werden am Ende alle reich. Und wo alle auf Kosten aller reich werden, da zahlt keiner die Kosten." Diese zwei Sätze aus Michael Endes Kurzgeschichte "Die Bahnhofskathedrale stand auf einer großen Scholle" würden ausgezeichnet in den literarischen und lyrischen Rahmen von East Cameron Folkcores neuem Album "Kingdom of fear" passen. Fast zwei Jahre sind seit "For sale" vergangen, doch es scheinen sich immer mehr Brand- und Krisenherde zu entzünden, anstatt endgültig zu erlöschen. Grund genug also für das us-amerikanische Kollektiv, erneut mit den Füßen zu stampfen und zur Stampede gegen Ungleichverteilung und Ausbeutung in einer kapitaldominierten Welt anzusetzen.
Diese dringliche Kritik gibt dem einstündigen Album sein übergeordnetes und einendes Konzept. Gleichzeitig wird "Kingdom of fear" allerdings in vier Teile dividiert, die mit Film- und Buchtiteln von Jean Renoir ("The grand illusion"), Lewis Caroll ("Throught the looking glass"), Howard Zinn ("The people speak") und Platon ("Ship of fools") überschrieben sind. In "What the thunder said" zieht sich ein zischender Schwarm als Front zusammen und die Bläsersektion bläst untröstlich zum Aufbruch. Es brechen die auf, die sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können: "The past is a blur / The future's uncertain / And the present's just a bore that now I can't afford." In eben diesem "The joke" werden alle verfügbaren Stimmen des Band-Kollektivs gebündelt, der Refrain rückt den Entscheidungsträgern Schritt für Schritt näher und wird dabei entschieden von Rhythmusgruppe und Folkinstrumenten angetrieben. Ein Abgesang auf den amerikanischen Traum.
Dem zweiten Viererblock wohnt der erste tobende Ausbruch des Albums inne, wenn sich die Gitarren in "The greater fool" manisch mit dem Schlagzeug überwerfen und Mandolinen hektisch Zwischentöne spielen. In "Fracking boomtown" ist der Titel programmatisch, denn Sänger Jesse Moore schildert die Auswirkungen der umstrittenen Erdgasfördermethode in seiner Heimatstadt Austin, Texas: "Now my wife and kids are dying in a hospital / Seems the waters filled with some unknown disease." Keine Rücksicht auf Verluste, denn es gilt Gewinne zu maximieren. Kein Wunder das Moores Stimme dabei immer wieder erzürnt in Hardcore-Gebrüll übergeht.
"Protest hero" ge- und verehrt Whisteblowerin Chelsea Manning: Auch East Cameron Folkcore warten noch immer auf den massenhaften Aufschrei in Folge des Offenlegens des flächendeckenden Eingriffs in Bürgerrechte: "So raise a fist for the protest hero / Who's giving a shit while you're watching TV." "Our city" beklagt dagegen Gentrifierungsprozesse in Texas' Hauptstadt, beginnt dabei ausnahmsweise mit einstimmigem Frauengesang und unterstützt so die Wucht der einsetzenden Stimme Moores, die abschließend in Sirenenlärm aufgeht.
East Cameron Folkcore wagen sich auf "Kingdom of fear" an nochmals komplexere Themen, als noch auf "For sale". Das Album ist so textlastiger und geizt ein wenig mit den solidarischen Singalongs, die auf der letzten Platte noch üppiger vertreten waren. Die lauten, sich nahezu zerreißendenen Momente des Vorgängers büßen dazu ein wenig an Gewaltigkeit ein. Dies ist aber Ergebnis eines durchdachteren Umgangs mit Gitarren- und Bläsermelodien. "Kingdom of fear" ist aber allein schon deswegen ein lohnenswertes Album, weil kaum eine andere Band dieses Spektrums die politischen Misslagen unserer Zeit so gekonnt zur Sprache bringt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The joke
- Fracking boomtown
- Our city
Tracklist
- What the thunder said
- Kingdom of fear
- The joke
- 969
- The greater fool
- Fracking boomtown
- Modern man
- When we get home
- Protest hero
- Our city
- Blackheart for a beating drum
- Newspeak
- Into hell's sea
- Goodbye to fear
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rené
2015-04-16 10:23:54
Sehr schöner Text zum Album, Danke dafür.
Telecaster
2015-04-15 23:49:28
Ein bißchen arg pathetisch fand ich die schon, als ich die gesehen habe. Neue Platte noch nicht gehört.
TheOkapiposter
2015-04-15 22:05:32
Gutes Album, das man aber mehrmals hören mus, bevor es wirklich ins Ohr geht. Am Besten auch mal zum Konzert gehen, live sind die Jungs und Mädels echt spitze!
Armin
2015-04-15 21:04:01
Frisch rezensiert. Meinungen?
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