
Tubbe - Keine Arbeit lieber tanzen
Audiolith / Broken SilenceVÖ: 13.03.2015
Endlich Nichtschwimmer
Arbeit ist schon was Feines. Auch der Rezensent könnte stundenlang dabei zusehen. Noch besser jedoch: süße Leckereien im "Eiscafé Ravetto" verschnabulieren und danach idealerweise in die Disco gehen, damit das Bäuchlein nicht gar zu dick wird. Dafür sollte doch jeder Chef Verständnis haben. Zumindest wenn es nach Steffi Jakobs und Klaus Scheuermann geht, die zu ihrem zweiten Album direkt die passende Bescheinigung zwecks Vorlage bei der Krankenkasse mitliefern. Dauer der Arbeitsunfähigkeit laut Dr. med. Tubbe: "Bis es gut ist." Solange haben die zwei inzwischen in der Hauptstadt ansässigen Münchener die kurative Deutungshoheit, verordnen strenges Tanzgebot und tun mit abgezirkeltem Indie-Electro auf Deutsch und Englisch ihr Möglichstes für die Genesung des Patienten. Beziehungsweise Hörers.
Der weiß nämlich spätestens seit "Eiscafé Ravetto", dass Tubbe sich auf diesem Gebiet bestens auskennen – vermutlich müssen Jakobs und Scheuermann zur Erholung erst einmal selbst tanzen gehen, nachdem sie ihr zu Alkoholexzessen neigendes Maskottchen Tubbär nach Hause verfrachtet haben. Trotzdem ist ihre Musik nach wie vor nichts für Mitglieder der Facebook-Gruppe "Komm Teddy, wir gehen. Das wird mir hier zu kindisch", sondern eine so tiefgehende wie geistreiche Rave-Veranstaltung auf engstem Raum, die Beziehungsmüll und persönliche Schieflagen mit leichtem Tanzfuß in die Ecke befördert. Und trotz des Artworks auch für emotionale Nichtschwimmer geeignet, denn hier reichen sich Herz und Hirn die wunden Hände und illustrieren mit kleinen Gesten große Gefühle.
Das facettenreich gegen das leidige Altern um sich tretende "Punkopa" mag es als erste Single naturgemäß ein wenig saftiger, zumal sich die beiden eigentlich noch unverschämt jungen Hüpfer Egotronics Torsun Burkhardt als zweite Stimme ins Studio geholt haben – schließlich hatte der bereits auf "Die Natur ist Dein Feind" das eine oder andere zum Thema zu sagen. Neben dem zur "Policy of truth"-Basslinie von "Good days" quäkenden Saxophon die einzige Einlassung von außen in diese zuweilen bewölkt vor sich hinbrütenden, aber in Sachen seelische Bestandsaufnahme immer bemerkenswert präzisen Songs. Egal, ob es nur um chronisch schlechtes Wetter oder doch um Dinge geht, die nicht einfach verschwinden, wenn man die Rollläden herunterzieht. Motto: Heul nicht rum und spiel die Hits. Und genau das tun Tubbe.
Ein weiterer heißt "Sechzehn Zwerge", betrauert zu sanft verhallendem Gitarrenriff eine an Unverbindlichkeit gescheiterte Liebe, bläst aber gleichzeitig mit aggressiven Rumpelbeats zum unerschrockenen Weitermachen, und auch der bewegliche Midtempo-Schleicher "Dummheit sticht Armut" ist auf dem Tanzboden der Tatsachen schon ganz wild darauf, Lebensentwürfe infragezustellen. Doch keine Sorge: Später ist Spaß in den Backen vorprogrammiert, wenn Tubbe in "Yes we can't" freudig auf Metall und anderem gefundenem Blech herumdengeln und bei "In Berlin" einen gütigen Kübel Spott über ihrer Wahlheimat auskippen. Klar, dass der Rentner im Späti da für sein vorwurfsvolles "Müsst Ihr morgen nicht arbeiten?" nur Kopfschütteln erntet. Ist ja auch eine doofe Idee. Tubbe haben auf diesem Album gleich zehn bessere.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Sechzehn Zwerge
- Punkopa (feat. Torsun)
- Dummheit sticht Armut
- In Berlin
Tracklist
- Sechzehn Zwerge
- Punkopa (feat. Torsun)
- Summerback
- Good days (feat. Joachim Kühn)
- Dummheit sticht Armut
- In Berlin
- Yes we can't
- Tagelöhner
- Betonmeer
- Die Nacht zum Tag
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Desare Nezitic
2015-03-31 19:01:04
Wahnsinn, was soll "In Berlin" denn darstellen? Will ironisch mit dem hauptstädtischen Hipsterdreck abrechnen, klingt dabei aber nur unendlich verspießt und wortungewandt wie von einem mediokren Schlagersänger aus Bocholt, der einen veralteten Synthesizer gefunden hat und einfach mal die ganzen Klischees aufsagt.
"Punkopa" ist aber trotzdem ziemlich gut...
Armin
2015-03-18 21:41:41
Frisch rezensiert! Meinungen?
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