
Benoît Pioulard - Sonnet
Kranky / CargoVÖ: 03.04.2015
Schlankheitswahn
Thomas Meluch hat unter seinem Pseudonym Benoît Pioulard zwischen 2006 und 2013 vier wundersame, zauberhafte LoFi-Indie-Platten veröffentlicht, wobei der Begriff "zauberhaft" durchaus angemessen scheint. Mühelos dahintreibende One Takes scheinen den Boxen zu entschweben, sobald "Hymnal"-Glanzlichter wie "Hawkeye" oder "Margin" mit geheimnisvollem Folk-Einschlag etwas Mystisches einzufangen versuchen, das in derart angenehmer Formlosigkeit im neuen Jahrtausend vielleicht ähnlich noch von Grizzly Bear auf "Yellow house" in Szene gesetzt werden konnte. Mit Grouper wiederum teilt Pioulard nicht nur das Label Kranky, auch beider Künstler Musik wird von einem zurückgelehnten Wabern unscheinbarer Töne ummantelt, deren besondere Ausdruckskraft sich nur im Strom der einzelnen, ineinander verschwimmenden Klänge preisgibt. Diese ungreifbaren Elemente und Momente der Orientierungslosigkeit haben seiner Musik das Etikett "Haze Pop" eingebracht.
Für sein Album "Sonnet" unterbricht Benoît Pioulard die Architektur schwereloser Wolkenpaläste im Dream- oder Haze-Pop-Format. Das Nebulöse bleibt zwar, verdunstet nun allerdings zu ambientösem Entdeckungsgeist. Zwar ist sein Gesamtwerk durchzogen von sphärischer Kammermusik, ihr haftet jedoch im Album-Kontext eher ein Interlude-Charakter an, allen voran 2010 bei "Lasted". Diese konsequente Abkehr von seiner bisherigen musikalischen Ausrichtung hin zu kompletter Verschlankung überrascht. Mit Ausnahme von "A shade of celadon" verzichtet Pioulard auf Gesang, ohne dass er mit "Sonnet" seinen düsteren Lyriker-Status einbüßt. Denn die Songtitel lassen sich, wenn passend angeordnet, wie ein Sonnet lesen. Weiterhin warf Meluch die digitale Nachbearbeitung über Bord, sodass die flächige Drone-Gitarre mitsamt den Field Recordings oder den gitarren-basierten Nachahmungen so unverfälscht wie möglich erscheinen und trotz Fehlens eines haltgebenden Rhythmus nicht auseinanderfallen. Room40-Aushängeschild Lawrence English, musikalisch ebenfalls in Drone-Gefilden beheimatet, produzierte "Sonnet" mit dem Feingefühl, dass das bedenklich schlingernde "Etched in memory" in der Kurve bleibt oder "Shut-ins on Sunday see" nicht vor Anmut evaporisiert.
Mit anderen Mitteln vermag es Pioulard diesmal, eine entrückte Traumstimmung vermittels Reduktion auszulösen. Die scheuen Soundscapes im längsten Stück "The very edge of its flame" lassen an den unermüdlichen Kanadier Aidan Baker denken, während "As would a beaver" eine zerfaserte Melodie anbietet, die fast unbeabsichtigt wirkt. Nach kurzer Irritation wird der wehmütige Klagelaut erstickt, der sich allein nach den Merkmalen der vorhergegangenen Veröffentlichungen sehnt. Gut so, denn das unnötige Jammern würde die Qualität seines Ambient-Entwurfs "Sonnet" leichtfertig übertönen. Der Ruf nach einem zweiten Aufguss des Vorgängers "Hymnal" müsste dafür gar nicht besonders laut sein. Denn schon das gleichzeitige Ausatmen könnte diese leichtgewichtigen Song-Miniaturen und Leisetretereien gewaltig aus dem Tritt bringen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- A shade of celadon
- So etched in memory
- Shut-ins on Sunday see
- The very edge of its flame
Tracklist
- With no advantage
- The gilded fear that guides the flow
- Of everything that rhymes
- Is in its clearest form
- An image apart from ourselves
- Whose palms create
- As would a weaver
- A shade of celadon
- So etched in memory
- Upon the break arch
- That wounded weathered
- Shut-ins on Sunday see
- The very edge of its flame
- And relent
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Beefy
2017-09-28 16:22:51
Hat definitiv mehr Beachtung verdient, dieser Mann. Nicht nur dieses Album.
Armin
2015-03-18 21:41:28
Frisch rezensiert! Meinungen?
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- Benoît Pioulard - Sonnet (2 Beiträge / Letzter am 28.09.2017 - 16:22 Uhr)