
Spectres - Dying
Sonic Cathedral / IndigoVÖ: 20.02.2015
Die Splittergruppe
"FCK RYL BLD!" Möchte jemand lösen? Oder gar ein T-Shirt mit dieser Aufschrift kaufen? Falls ja, bitte vertrauensvoll an Spectres wenden und hoffen, dass noch Exemplare der limitierten Kleidungsstücke vorrätig sind, mit denen das Quartett nicht eben dezent seine Abneigung gegen Royal Blood kundtut. Aber was war da los? Anfänglich nichts allzu Bemerkenswertes: Spectres, die in ihrer Homebase Bristol auch als Konzertveranstalter tätig sind, hatten lediglich wiederholt davon Abstand genommen, das Brightoner Duo für einen Auftritt zu buchen. Dessen Management ließ daraufhin die Muskeln spielen und drohte, jegliche Zusammenarbeit zu beenden – Spectres revanchierten sich mit einer Erwähnung von "Royal Blood" in ihrer Worst-of-2014-Liste, den fiesen Leibchen und einem dezidierten "The music was awful". Das wird man doch wohl noch sagen dürfen. Nicht.
Spectres kennen sich nämlich bestens aus mit furchtbarer Musik. Oder genauer gesagt mit dem, was eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung vermutlich für solche hält. Diejenigen jedoch, die ihren Noise-Rock am liebsten mit Betonung auf dem ersten Wort mögen, reiben sich schon bei der knirschigen Ouvertüre "Drag" die Hände – und wenig später die wunschgemäß tauben Lauscher. "Where flies sleep" rasiert Joe Hatts halluzinierende Vocals danach erst mal mit einer furiosen Feedback-Walze nach Art von My Bloody Valentines "(When you wake) you're still in a dream" und fordert mit glühend heißer Gitarre zum Shoegaze-Showdown. Verzerrer-Pedale geben kreischend ihren Geist auf, das schreckliche Geräusch sterbender Tesafilmabroller hallt tausendfach von den Wänden einer immer kleiner werdenden Gummizelle wider. Hörsturz deluxe.
Vor diesem grimmigen Fatalismus müssen selbst die frühen The Jesus And Mary Chain kapitulieren: Umschrieben die Schotten die vermeintlichen Segnungen ausgiebigen Substanzenkonsums zumindest zeitweilig noch mit blumigen Metaphern wie "Just like honey" oder "Psychocandy", zeigt Spectres' Debüt nicht nur auf dem Cover die hässliche Fratze des Ganzen. "An addiction runs in my family / And I wonder when it's coming for me", beschwört Hatt im donnernden "Family" den Anfang vom Ende, während im Geiste bereits die leeren Flaschen durcheinanderscheppern. "Blood in the cups" verströmt zu ominös kreisenden Leads und schwelender Zeitlupen-Rhythmussektion die gleiche Hoffnungslosigkeit, das verbreakt malmende "Lump" sendet aus einem "shallow grave" und weiß: Gestorben wird immer. Vor allem auf diesem eindrucksvollen Album.
Da zerreißt es auch Dreampop-Versuchsballons wie "The sky of all places" nach kürzester Zeit in der von Sägezahn-Drones geschwängerten Luft. Auch das von einem stählernen Riff befeuerte "Mirror" zerspringt in tausend Glassplitter, denen man besser nicht im Weg steht, wenn sie sich in die Wand gegenüber graben. Und schleicht sich dieses Album mit "Sea of trees" vergleichsweise defensiv aus, dann natürlich nicht, ohne kommentarlos minutenlanges Rauschen mitten in den Raum zu stellen, nachdem sich das Ding zuvor perfiderweise noch als handelsüblicher Song ausgegeben hatte. Es bleibt die ohrenbetäubende Gewissheit: "Dying" ist eine Zahnarztpraxis, in der viel gebohrt wird. Womit Spectres kein Problem haben dürften – Hauptsache, währenddessen läuft nicht diese eine Band. Sie wissen schon: die mit dem schmutzigen Wort vor dem Namen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Where flies sleep
- Family
- Mirror
- Blood in the cups
Tracklist
- Drag
- Where flies sleep
- The sky of all places
- Family
- This purgatory
- Mirror
- Blood in the cups
- Sink
- Lump
- Sea of trees
Im Forum kommentieren
wilson
2015-03-29 21:38:56
toll!
Armin
2015-03-11 21:22:00
Frisch rezensiert! Meinungen?
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Spotify
Threads im Forum
- Spectres - Dying (2 Beiträge / Letzter am 29.03.2015 - 21:38 Uhr)