Peter Kernel - Thrill addict

On The Camper / Cargo
VÖ: 20.03.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Kratzbaum oder Samtpfote

Bitte nicht mehr anrufen: Laut Plattentests.de vorliegenden Informationen geht es der Katze gut. Wenigstens derjenigen, der Peter Kernel auf dem Cover ihres zweiten Albums "White death & black heart" die Hände um den Hals legten. Eine andere Mieze, die dem Duo während der Aufnahmen zum Nachfolger öfters einen Besuch im Studio abstattete, hatte leider nicht so viel Glück und wurde von einem Auto überrollt. Vielleicht war das arme Tier ja ein "Thrill addict" – also eine Art Shitmagnet in eigener Sache, der mit Vorliebe und wider besseres Wissen immer dahin geht, wo es am meisten wehtut. Machen die Kanadierin Barbara Lehnhoff und der Schweizer Aris Bassetti schließlich auch, wie ihre Platten unter dem Namen Peter Kernel und das ebenfalls gemeinsam als Camilla Sparksss produzierte Elektro-Brett "For you the wild" hinlänglich beweisen.

Halb so wild beginnt hingegen dieses Album: "Ecstasy" verweist im Titel zwar auf in technoiden Clubs handelsübliche Substanzen, eröffnet aber mit knurrenden Shoegaze-Flächen und den gleichen einsamen Pickings, mit denen The xx inzwischen gefühlt jede zweite Fernsehdokumentation beschallen dürfen. Lange kann aber vor allem Lehnhoff nicht an sich halten – und holt schon für die Single "High fever" wieder die schrillen Vocal-Spitzen raus, die bereits bei Camilla Sparksss für Aufruhr sorgten. Dabei treiben überfallartige Percussion-Shots ein schlankes Riff vor sich her, als hätten Savages "She will" ans Safri Duo verschachert, während Peter Kernel anscheinend selbst nicht wissen, wie ihnen geschieht: "I tried to write a song / Turns out a unicorn." So ist's recht: immer ein Einhorn sein, sofern möglich. Ebenso fieber- wie fabelhaft.

Es ist einer der rar gesäten Tanzboden-Momente auf "Thrill addict": Vieles bewegt sich in ähnlich gemäßigtem Tempo wie der Jogger im "Your party sucks"-Video, wozu Peter Kernel ihre zuletzt noch stark abgemagerten, den britischen Minimalisten Prinzhorn Dance School nicht unähnlichen Songskelette zusehends mit Fleisch aus der Metzgertheke von Post-Punk und No Wave versehen. Die spirituelle Präsenz von Sonic Youth ist in unruhig vor sich hin menschelnden Songs wie "Leaving for the moon" oder "Keep it slow" dank psychedelisch kreisenden Saitengewimmers und Lehnhoffs Kim-Gordon-Gedächtnisgesangs genauso spürbar wie das Erbe der deutsch-dänischen Noise-Rock-Veteranen 18th Dye samt all ihrer Wiedergänger: Gitarren quengeln und schmeicheln im Wechsel, der Bass verteilt Handkantenschläge, das Trommelfeuer brennt lichterloh.

Doch trotz aller Widerspenstigkeit steckt in "Thrill addict" auch eine hinreißende Intimität. Nicht umsonst hat das auch privat verbandelte Duo fürs Artwork seine Gesichter so verträumt wie möglich auf den Kopierer gelegt – die Mutter aller Selfies sozusagen. Doch heben im Dream-Pop verwurzelte Songs wie "It's gonna be great" oder "Tears don't fall in space" zunächst sanft gen Weltall ab, machen sich Lehnhoff und Bassetti einen umso größeren Spaß daraus, bei "You're flawless" zu hineinpurzelndem Buntmetall-Geschepper die Tür einzutreten oder im hetzenden "I kinda like it" mit ins Metallische lappender Gitarrenarbeit und angestochenem Riot-Grrrl-Gezeter großzügig Elektroschocks zu verteilen. Hier oszillieren Band und Hörer gleichermaßen – vorzugsweise zwischen Kratzbaum und Samtpfote. Alles andere als für die Katz.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • High fever
  • Leaving for the moon
  • You're flawless
  • I kinda like it

Tracklist

  1. Ecstasy
  2. High fever
  3. Your party sucks
  4. Leaving for the moon
  5. It's gonna be great
  6. You're flawless
  7. Supernatural powers
  8. Keep it slow
  9. Majestic faya
  10. They stole the sun
  11. I kinda like it
  12. Tears don't fall in space
Gesamtspielzeit: 53:15 min

Im Forum kommentieren

AufdenHundgekommen

2018-03-08 21:56:27

Cocker Spaniel? Sieht eher nach einem Wachtelhund aus...

Francis

2015-07-16 20:35:02

Die Scheibe ist super. Die Band ist vor allem live unglaublich gut. Erinnerte mich an die starken Momente von PJ Harvey.

Der Wanderjunge Fridolin

2015-07-15 17:07:34

Supergutes Album mit vielen kleinen Details und Ideen zum Verlieben.

Schön, dass sowas hier besprochen wird. Bedenklich hingegen, dass es den Anwendern dieser Seite keinen Beitrag wert zu sein scheint. 4 Seiten zweifelhafte Besserwisserei zum nächsten spon-Hype Tame Impala und hier null, nichts, nada. Passt schon irgendwie.

Armin

2015-03-11 21:21:24

Frisch rezensiert! Meinungen?

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