
Eternal Tapestry - Wild strawberries
Thrill Jockey / Rough TradeVÖ: 23.02.2015
Das Portland-Psych-Labor
Jedes in Zeitlupe ins Blickfeld kriechende Charakteristikum der formoffenen Psychedelic-Musik von Eternal Tapestry steckt in Bandnamen, Cover-Art und Albumtitel: "Wild strawberries" ist ein wildes, unkultiviertes Wuchern, konsequent in seiner widerborstigen Abkehr von strukturierenden Merkmalen. Eternal Tapestry, das meint fein verwebte Ewigkeit. Kein Wunder, dass sich ausgerechnet eine Nacktschnecke durchs Artwork schleppt. Die Geschwindigkeit wird schließlich im Gegensatz zu "A world out of time" und "Beyond the 4th door" abermals gedrosselt. Grund genug, sich jede Menge Platz einzuräumen und sich in einem 80-Minuten-Rausch zu verzetteln.
Immer wieder greift eine Orgel ins Geschehen ein, der Titeltrack baut auf die langsame Entfaltung der flächigen Sounds. In dieser Viertelstunde gibt die vor Echos triefende Gitarre alsbald die Richtung vor, während die Orgel-Drones die Offenheit und Weiträumigkeit unterstreichen. Auch "Enchanter's nightshade", ein 16-minütiger Sonntagnachmittags-Schlendrian von einem Stück, treibt vor dem Orgel-Hintergrund umher, das zackige Gitarrenmotiv widersetzt sich dem entspannten Bass, indem es vor sich hin mäandert, das Wah-Wah-Pedal im ständigen Anschlag.
Dieser surreale Trip ist durch endlose Improvisation am dicht bewaldeten Ufer des Zigzag-Flusses in Oregon entstanden, in dessen Aufnahmeprozess sich Eternal Tapestry thematisch dem Antagonismus zwischen Zivilisation und Natur gewidmet haben; ein Grundkonflikt, der bereits in vielen Büchern und Filmen ausgetragen wurde. Werner Herzogs "Aguirre, der Zorn Gottes" von 1972 verhandelt Klaus Kinskis Allmachtsphantasien, die schließlich im Nichts versanden. "Apocalypse Now", von Francis Ford Coppola gedreht und 1979 auf die Leinwand projiziert, zelebriert den Exzess im Vietnam-Krieg. Als eindrucksvolle Grundlage diente der 1897 veröffentlichte Roman "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad. Diese Beispiele beleuchten großangelegte, zivilisatorische Projekte in kritischer Form, da sie schon aufgrund ihres unheilvollen Beginns zum Scheitern verurteilt sind. Popol Vuhs Filmsoundtracks zu "Aguirre" bereitet synthesizer-getriebene Schnappschüsse davon auf, wie sehr die Protagonisten von Paranoia und Ohnmacht befallen sind. Statik und Leerlauf der Expedition werden dadurch pointiert untermalt. Die zugrundeliegenden historischen Ausflüge in die Natur verfestigen die Botschaft von der Unvereinbarkeit von Natur und Kultur.
Eternal Tapestry gehen einen anderen Weg. Sie brechen mit der Vorstellung eines unüberbrückbaren Kontrasts zwischen natürlicher Entstehung und technologischem Fortschritt, indem sie wirklich jeden Gegensatz in abgeklärter Eintracht zueinander betrachten. Ihre Musik begehrt zwar teilweise auf, wie im Schlussstück "White adder's tongue", in welchem durch brodelnde Wiederholung die möglichen Gefahren angedeutet werden. Die luftigen, frei schwebenden Gitarren-Melodien verleihen jedoch der auf "White strawberries" vorherrschenden Friedfertigkeit Ausdruck. Vorsichtige Regungen von Bass und Schlagzeug erhalten den Vorzug vor kriegerischem, wummerndem Gepolter. Verschiedene Stufen der Entspannung scheinen hier aufbereitet zu sein, frei von esoterischem Geplänkel und angeregt durch die von der Orgel aufgestellten Pappmache-Wände und die von Ecken und Kanten befreiten Gitarrenexkurse. Die dadurch greifbar werdende Sorglosigkeit und Ruhe hätte den in Literatur und Kino Zugrundegerichteten gut getan.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Wild strawberries
- Maidenhair spleenwort
Tracklist
- Mountain primrose
- Wild strawberries
- Enchanter's nightshade
- Woodland anemone
- Maidenhair spleenwort
- Lace fern
- Pale-green sedge
- White adder's tongue
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Jennifer
2015-03-04 22:28:20
Frisch rezensiert. Meinungen?
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- Eternal Tapestry - Wild strawberries (1 Beiträge / Letzter am 04.03.2015 - 22:28 Uhr)