King's X - Please come home... Mr. Bulbous

Metalblade / SPV
VÖ: 22.05.2000
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Glühbirnen und Geistesblitze

Das Vorurteil, Schwarze würden im Musikgeschäft lediglich durch unverständliches Grunzen, kontinuierliches Zucken dreier nach innen gekehrter Fingerkuppen, die vollbusigen Frauen im dicken Cabrio und einer grenzenlos anmutenden Arroganz in Erscheinung treten, ist natürlich so stumpfsinnig wie die allermeisten Klischees. Es geht aber zum Glück auch anders. King's X ist neben Living Colour und Body Count eine der wenigen Bands mit schwarzem Frontmann, denen in der jüngeren Geschichte des Rocks achtenswerter Ruhm zuteil wurde. Nach mehr als zehn Jahren Bandgeschichte ist es Doug Pinnick natürlich endgültig leid, ständig auf seine Hautfarbe angesprochen zu werden und auch die stupiden rassistischen Rufe, mit denen sich King's X hierzulande bei Konzerten lange Zeit auseinandersetzen mußten, sind mit dem inzwischen achten Album zwar nicht ganz verstummt, doch zumindest weniger geworden.

Der Titel des Openers "Fish bowl man" wirkt in Verbindung mit Albumcover und -titel im ersten Moment etwas verwirrend. Denn nicht dieser goldfischglasköpfige Mann, der unlängst das aktuelle Counting Crows-Album "This desert life" zierte, ist zu sehen. Das bizarre Menschenwesen mit einem leuchtenden Glühbirnenkopf erinnert unweigerlich an das herzensgute Helferlein, den immerfleißigen Gehilfen von Daniel Düsentrieb. Nicht minder umtriebig war auch die Band hinter dem Glühbirnenmann in den letzten Jahren. Zwar erfanden King's X weder Rad noch Gitarrensolo neu, schufen sich aber über die Jahre eine kleine Nische zwischen Rock und Metal, in der sich eine stetig wachsende Fanschar versammelte.

Der geringere, dem Metal verfallene, Teil ebendieser Fanschar wird beim Hören von "Please come home Mr. Bulbous" ein weiteres Mal ungläubig den Kopf in der Horizontalen statt wie gewohnt in der Vertikalen schütteln. Ist das wirklich noch die Band, die zu Zeiten von "Faith, hope, love" noch ihre frisch ondulierten oder auch toupierten (Doug Pinnick) Matten durch die Luft wedelte? Ihre metallischen Einflüsse haben King's X über die Jahre mehr und mehr abgelegt, und nach dem straighten aber orientierungslosen Vorgänger "Tape head" hat nun der Erfindungsgeist wieder ins königliche Hause Einzug gehalten. Pop ist kein Schimpfwort, sondern Mittel zum Zweck, der ja bekanntlich wiederum die Mittel heiligt. Die Grenzen sind endgültig verschwommen, und das eine fließt ins andere, ohne seine ursprüngliche Farbe zu verlieren. "Experimentell" nennt man so etwas gewöhnlich, und diese Bezeichung verwendet auch Ty Tabor: "Ich habe in letzter Zeit eine Menge Jeff Buckley gehört und wurde von seiner freien Art zu schreiben wirklich inspiriert, in der man nicht der starren Aufbau Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Bridge folgt. Seine Songs waren für mich wie die Chance, einfach überall hinkommen zu können." Bei diesem Versuch läßt man es inzwischen weitaus ruhiger angehen, große Teile des bekannten Grooves sind einer entspannten und doch dunklen Stimmung gewichen. Ty Tabor hat neben der Produzentenrolle nun auch wieder große Teile der Vocals übernommen, die lange Zeit Aufgabe von Bassist Doug Pinnick waren.

"She's gone away" taucht sich von mehrstimmigem Harmoniegesang in ein ellenlanges Gitarrensolo und wieder zurück. In "Charlie Sheen" lehnt sich die Band entspannt zurück und läßt den Schauspieler mit zweifelhaftem Ruf die Probleme der niederen Art lösen ("Kill the king, strip the queen, are you a friend, dear Charlie Sheen"). Nichts paßt zusammen, wie es zusammengehört, und das ist gut so. Aus dem absoluten Nichts brechen bei "Smudge" endgültig die Dämme. Zwischen trägem Sprechgesang taucht ein süßlicher Bubblegum-Refrain auf, und für einen Moment wundert man sich, nicht vielleicht doch ein Buffalo Tom-Album ins Laufwerk geschoben zu haben. In "Julia" weht einem Ty Tabor einen Hauch von Zärtlichkeit entgegen, der von einem Gitarrengewitter darniedergemäht wird, um sich wenig später im pilzköpfigen Intermezzo wiederzufinden.

Hier muß einfach um die seltene Art von Musik handeln, die beim besten Willen keine wirklich passenden Vergleiche zuläßt und wenn doch, dann nur solche allerhöchster Stelle. Denn gegen Ende des Albums gehen King's X den entscheidenden Schritt weiter. Spätestens mit "Move me" und "Move me (Part two)" wird ein winziges Steinchen aus der Mauer geklaut und darauf ein eigenes Denkmal gebastelt. Mit Pink Floyd als Beinahe-Namensgebern, den Beatles als Werkstoff und King's X als Bauherren, während der Zynismus eines Frank Zappa omnipräsent über dem Ganzen schwebt. Was sind schon große Namen? Mister Bulbous ist zurück, und Sergeant Pepper kann nicht mehr weit sein.

(Armin Linder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Julia
  • Charlie Sheen
  • Smudge

Tracklist

  1. Fish bowl man
  2. Julia
  3. She's gone away
  4. Marsh mellow field
  5. When you're scared
  6. Charlie Sheen
  7. Smudge
  8. Bitter sweet
  9. Move me
  10. Move me (Part two)
Gesamtspielzeit: 44:51 min

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