Mark Lanegan Band - A thousand miles of midnight
Heavenly / [Pias] Cooperative / Rough TradeVÖ: 20.02.2015
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Mark Lanegan zeigt auf seine alten Tage Omnipräsenz. Seit er Alkohol und Drogen abgeschworen hat, ist der Mann ist nicht mehr zu halten und haut reihenweise Veröffentlichungen raus, die qualitativ nicht einreißen. Vor vier Monaten erst das umwerfende "Phantom radio", dann die umfangreiche und beispiellose Best-Of- und Raritäten-Compilation "Has God seen my shadow? An anthology 1989-2011". Bei "A thousand miles of midnight", handelt es sich um ein Komplementärwerk zu "Phantom radio", das Remixes und Rekonstruktionen enthält. Und Lanegan wäre nicht Lanegan, besäße auch diese Nebenveröffentlichung kein qualitatives Spitzenmaß: "A thousand miles of midnight" kann neben seiner großen Schwester als eigenständiges Werk bestehen und erreicht deren Klasse, wenn auch auf anderem Niveau.
Natürlich würde "A thousand miles of midnight" ohne "Phantom radio" gar nicht existieren, liefert das Album doch die Rohmasse für die Neuinterpretationen. Und in deren neuem Zugriff liegt die Eigenständigkeit, denn diese Versionen fallen so vielfältig aus wie die Liste der Mitwirkenden. Auch die ebenfalls 2014 veröffentlichte "No bells on sunday"-EP findet hier Berücksichtigung - Lanegan ist eben sehr daran gelegen, Album und EP als ein zusammengehöriges Ganzes zu verstehen. Beide Werke teilen dieselbe DNA, und wird eines davon reinterpretiert, dann im Sinne der Ganzheitlichkeit auch das andere. Den Prozess des Neuauslegens selbst bezeichnet der Meister als einen logischen Schritt, da sich das Material zur Neugestaltung geradezu anbieten würde.
Ein weiterer logischer Schritt ist es, "A thousand miles of midnight" mit "Death trip to Tulsa" beginnen zu lassen, jenem Song, der das Vorgängerwerk abschloss. Ein weiterer Hinweis auf Kontinuität nach dem Motto: "Wo Du aufhörst, beginne ich". In seinem neuen Gewand wird dieser Todestrip noch mehr artifizialisiert abgeschliffen: weniger roh, elektronischer, mit einem Wort: smoother. "I am the wolf" nähert sich in Greg Dullis Remix der geheimnisumwitterten Atmosphäre der Twilight Singers an, bekommt seine wohlverdienten Beats zugesprochen und wird in TripHop-Sphären entlassen. Der Unkle-Zugriff auf "The killing season" überführt die schon fast fröhliche Stimmung des Originals in tiefe Electronica-Grauzonen, Moby hingegen unterlegt in seiner Interpretation von "Torn red heart" den Zuckerguss mit simplem Rhythmus und überstreicht diesen mit noch mehr Soundkuvertüre, was sich sehr geschmeidig und entspannt gibt, und das ohnehin schon ruhige "Floor of the ocean" verwandelt sich wenig später in einen sechsminütigen Trance-Rausch. Das irgendwo im Nirvana lokalisierte "Waltzing in blue" landet mit angerauchten Beats wieder auf den Boden der Tatsachen, wohingegegen die Belgier Magnus "Harvest home", das absolute Highlight von "Phantom radio", bis zur fast vollständigen Unkenntlichkeit verglitchen. Das wunderschön verstohlene Songjuwel "The wild people" erstrahlt als Barmusik in neuem Glanz, "Seventh day" wird mit tanzbarem Soundspielereien bereichert und "Judgement time" um jegliche Schichten zu einer lupenreinen Vokalnummer entkleidet.
Auch bei der "No bells on Sunday"-EP hat sich Lanegan nicht lumpen lassen und gleich vier der fünf Songs in Auftrag gegeben. Den Beginn macht der gleichnamige Titeltrack, der in seiner Neuarrangierung die sphärigen Anteil übersteigert. Das rockige "Sad lover" wird um zwei Kilo Gitarre erleichtert und wie "Dry ice" verkünstlicht: Beats und Flächenklänge kitzeln dabei ein Maximum heraus. "Jonas Pap" transformiert aus seiner erdrückenden Melancholie in noch erdrückenderen Ambient. Der Zugriff der jeweiligen Interpreten und die geschmackvolle Zielsicherheit dieses Zugriffs zeigen Lanegan auch in zweiter Ordnung in Höchstform. Etwas anderes war auch gar nicht zu erwarten - "A thousand miles of midnight" ergänzt "Phantom radio" perfekt und kitzelt neue Nuancen aus dem ohnehin schon gnadenlos guten Material heraus. Und was dermaßen gut ist, kann nicht schlechter werden. Dafür steht der Meister mit seinem Namen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Death trip to Tulsa (Mark Stewart's exopolitix demix)
- I am the wolf (Greg Dulli remix)
- The killing season (Unkle remix)
Tracklist
- Death trip to Tulsa (Mark Stewart's exopolitix demix)
- I am the wolf (Greg Dulli remix)
- The killing season (Unkle remix)
- Torn red heart (Moby remix)
- No bells on sunday (Moon Gangs remix)
- Floor of the ocean (Pye Corner Audio remix)
- Sad lover (Milkey Young remix)
- Waltzing in blue (Earth Dub remix)
- Harvest home (Magnus remix)
- The wild people (Alastair Galbraith remix)
- Dry iced (Tomas Barfod remix)
- Jonas Pap (Soulsavers aural disorientation remix)
- Seventh day (Tom Furse extrapolation)
- Judgement time (Alain Johannes tempus judicii venit remix)
Im Forum kommentieren
bazilicious
2015-02-19 11:28:39
Ich fand schon das Album recht spannend, glaube, das hier brauche ich.
Demon Cleaner
2015-02-19 09:03:51
Ich fand schon das Album recht unspannend, glaube, das hier brauche ich nicht.
Armin
2015-02-18 22:12:52
Frisch rezensiert! Meinungen?
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