
Charli XCX - Sucker
Asylum / WarnerVÖ: 13.02.2015
Bei Lolli Pop
Ob es Liebe ist? Könnte man fast annehmen, so wie Charli XCX auf dem Cover ihres zweiten Major-Albums mit einem herzförmigen Lolli posiert – wäre nicht das unflätig gemeinte Wort aus dem Titel darauf zu lesen. Die Britin, die eigentlich Charlotte Aitchison heißt, grüßt so vor allem jene, die stets prophezeiten, sie würde nie auf einen grünen Zweig kommen. Falsch orakelt: Schon die vollmundig auf einem HipHop-Beat daherschmatzende Single "Boom clap" enterte weltweit die Hitlisten, "Break the rules" folgte auf dem Fuße. Zu Recht – schließlich war der famose Brecher mit dem infektiösen Basslauf und der fidelen Synthie-Linie ein Meisterstück zwischen Bubblegum und Teenage-Riot. Und nebenbei bemerkt das mit Abstand Beste an der jüngsten Staffel einer fragwürdigen Dschungelshow, die nun wirklich nicht namentlich genannt werden muss.
"Sucker" wirft stattdessen andere Namen in den Ring: Ariel Pink, Rivers Cuomo, Rostam Batmanglij. Nicht dass Aitchison noch die Indie-Credibility flötengeht, nachdem sich Verweise auf Witch-House und andere düstere Dinge inzwischen endgültig zugunsten einer feisten Extraportion Pop erledigt haben. Also lässt sie sich im Uptempo-Kiekser "London queen" von Pink kurz nach Hollywood entführen, mosht bei "Hanging around" breitbeinig mit Cuomo zu einer vergnüglichen Abwandlung von Weezers "Beverly Hills" um die Wette und saugt mit Vampire-Weekend-Mann Batmanglij für "Need ur luv" einen ganzen Kindergeburtstag an Helium-Luftballons leer. Eine quietschlila Pause macht dieses Album selten – erst recht nicht für die restlichen Herren der Schöpfung, die bei der 22-Jährigen gerade offenbar nicht viel zu melden haben.
Eine "True romance" hört sich jedenfalls anders an. "So over you" feiert ausgelassen das Wieder-allein-Sein, und auch der schmissige Glam-Pop von "Breaking up" kann über die Blauäugigkeit vergleichbarer Heuler wie "I want your love" von Transvision Vamp nur verächtlich kichern. "Body of my own" lädt gar zum rockigen Speed-Date mit sich selbst und setzt nach FKA Twigs' "Kicks" das nächste weibliche Masturbations-Ausrufezeichen – mit dem Unterschied, dass bei Tahliah Barnett keine ramponierte Gitarre in der Studioecke rumliegt wie hier. Anderes im Sinn hat Aitchison beim gediegenen R 'n' B-Groover "Doing it", zu dem sie sich im Video eine Tanzeinlage mit einem Senioren im Feinrippunterhemd leistet und zusammen mit Kollegin Rita Ora eine Bling-Version von Thelma & Louise gibt. Im Kofferraum: der vielleicht beste Song dieses Albums.
Gerade ob solcher Tracks lässt es sich verknusen, dass "Sucker" die Regeln seltener bricht, als der Hit suggeriert. Der spukig beschleunigte Geisterchor im Titelstück und gelegentlich aufpoppende Knarz-Breaks gehören schon zu den gewagteren Schrägheiten zwischen maßvoll Grime-geschwängerten Beats, Schweinerock-Andeutungen und Electro-Hop-Versatzstücken – und fordert die weit nach vorne gemischte Stimme ungeteilte Aufmerksamkeit ein, ist für Zwischentöne ohnehin kaum noch Platz. Die fehlen aber spätestens, wenn der Spannungsbogen zum Ende hin dank charmanter Nichtigkeiten wie "Die tonight" oder "Red balloon" irgendwo auf Kniehöhe baumelt. Vielleicht nur ein großes Luftholen? Unbestätigten Gerüchten zufolge hat Aitchison nämlich noch ein fertiges Gitarrenalbum im Schrank. Vielleicht sogar mit passender Lolli-Aufschrift.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Break the rules
- Boom clap
- Doing it (feat. Rita Ora)
- Hanging around
Tracklist
- Sucker
- Break the rules
- London queen
- Breaking up
- Gold coins
- Boom clap
- Doing it (feat. Rita Ora)
- Body of my own
- Famous
- Hanging around
- So over you
- Die tonight
- Caught in the middle
- Need ur luv
- Red balloon (Bonus track)
Im Forum kommentieren
Rhyton
2024-12-02 23:44:58
Übrigens hat sie bei den Streamingplattformen die Cover von all ihren Alben verändert, in den Stil von brat. Sowas hab ich auch noch nicht gesehen.
Rhyton
2024-12-02 23:41:59
PT 10er Jahre in a nutshell:
Lagerfield42
26.09.2014 - 18:06
Schon ne geile Sau, aber die Mucke geht gar nicht.
Demon Cleaner
2015-02-25 09:06:07
Ja, das meinte ich. Einzeln kann man die Songs fast alle hören, aber auf Albumlänge ist das Theater kaum erträglich.
OuterHeaven
2015-02-25 08:51:38
Der Gesang kann auf Albumlänge etwas nervig werden, aber sind schon paar gute Lieder drauf.
Gold Coins
Boom Clap
DOING IT
So over you
Need ur luv
Sind reinhörenswert meiner Meinung nach.
Demon Cleaner
2015-02-24 09:39:58
Das Album ist leider ziemlich nervig auf Dauer. Ein paar gute Singles dabei, aber in der geballten Form viel zu anstrengend. Kaum zu glauben, dass das schöne "True Romance" hier einen Punkt weniger hat.
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