KiKu feat. Blixa Bargeld & Black Cracker - Marcher sur la tête

Everest / Broken Silence
VÖ: 13.02.2015
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Avantgardistisches Allerlei

Blixa Bargeld ist der Anti-Pharrell-Williams der Musik. Man entscheide sich mal zwischen "Happy" und einem Stück aus Bargelds Œuvre, ob Einstürzende Neubauten oder anderes. Pro Williams: Kopf aus, den Hampelmann machen, lachen, gute Laune verbreiten. Pro Bargeld: solche Oberflächlichkeiten ablehnen, tiefer schürfen, grübeln, sich selbst vergewissern. Das eine: eher Pop, das andere: eher Kunst. Wer Menschen auf öffentlicher Straße verstören möchte, der schreie mal die Verse des Titelstücks auf KiKus "Marcher sur la tête" (also übersetzt: Gesichtstrampeln): "Es war finster geworden / Himmel und Erde verschmolzen in Eins / Es fasste ihn eine namenlose Angst in diesem Nichts / Er war im Leeren." Absehbare Reaktionen sind ein befremdliches Kopfschütteln oder gleich die Zwangseinweisung in die Klapse. Selten ist mit Verehrung zu rechnen. Klarheit wird fort geschickt, dafür kommt Verklausuliertes und Vages. Kunst eben.

Avantgarde beschreibt ursprünglich die militärische Vorhut, im übertragenen Sinne aber auch den Fortschritt als aufopferndes Wagnis, quasi das Experimentierfreudige. Kein Wunder, dass sich das Schweizer Duo KiKu als "modulare Avantgarde-Maschine" versteht. Angedeutet wird das Vorausmarschieren ja auch im Albumtitel. Unterstützung kommt bei fünf "Modulen" von Bargeld, dreimal von Rapper Black Cracker, beim Schlusslied von beiden. In der Wirkung schwanken die Lieder zwischen Verzücken und Verstören. Ersteres kann "Sì dolce è'l tormento", eigentlich ein Monteverdi-Kammerstück, zusammengestaucht auf E-Gitarre und übertrieben intoniertem Bargeld-Italienisch. Marvellissimo. In die Magengrube schlägt dann Black Cracker mit "Tête 2". Ähnlich bedrohlich waren zuletzt am ehesten noch Run The Jewels.

So richtig stimmig ist diese elementartige Anhäufung nicht – eine Mischung aus Synthesizern, Bläsern, Gitarren, Rap und deutschem Sprechgesang. Manche Songs sind überladen, zum Beispiel "Nuages". Zwölf Minuten mit zu vielen Ideen intus, die gen Ende des Liedes etwas von Rammstein auf Französisch haben. "Everybody's got to learn sometime" macht es da einfacher: Das unverwüstliche Original von The Korgis wurde schon häufig interpretiert, etwa von Zucchero oder Beck. Vielleicht kann sich ein Zuhörer mehr auf Bargelds Nonchalance, die Instrumentierung konzentrieren, wenn das Lied selbst schon bekannt ist. Oder wird der sprühende Geist von KiKu und Kumpanen gehemmt, ist ihnen zumindest der Bezugsrahmen gegeben. Wer gewohnt ist, irgendetwas zum Musikhören nebenher zu tun, dem wird das hier nicht gelingen. Multitasking schließt diese vor Ideen strotzende knappe Stunde aus. EPs wären griffiger gewesen und hätten den Hörer in kleineren Portionen gefordert. Andererseits möchte sich die Avantgarde und Kunst eben nicht begrenzen. Der Punkt geht an das Team Bargeld.

(Maximilian Ginter)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sì dolce è'l tormento (feat. Blixa Bargeld)
  • Tête 2 (feat. Black Cracker)
  • Everybody's got to learn sometime (feat. Blixa Bargeld)

Tracklist

  1. Marcher sur la tête (feat. Blixa Bargeld)
  2. Belehrung (feat. Blixa Bargeld)
  3. Nuages (feat. Blixa Bargeld)
  4. Sì dolce è'l tormento (feat. Blixa Bargeld)
  5. Tête 2 (feat. Black Cracker)
  6. Ocean (feat. Black Cracker)
  7. Jaillir (feat. Black Cracker)
  8. Everybody's got to learn sometime (feat. Blixa Bargeld)
  9. Es ist zu langweilig (feat. Blixa Bargeld & Black Cracker)
Gesamtspielzeit: 53:28 min

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Fiend

2015-02-12 14:59:52

https://www.youtube.com/watch?v=EpO6qagM8ZA

Immer großartig, der Blixa!

Armin

2015-02-10 22:33:37

Frisch rezensiert!

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