Adam Angst - Adam Angst

Grand Hotel van Cleef / Indigo
VÖ: 20.02.2015
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ein bisschen Hass muss sein

2015, geh' in Deckung! Denn Felix Schönfuss (Ex-Frau-Potz, Ex-Escapado), Herr der lauten Worte, lässt samt neuer Band in persona Adam Angst schon im Februar den Prediger los. Adam Angst, fortan Herr A., hat den unmissverständlichen Auftrag, dem Tun und Nichtstun in dieser Gesellschaft auf den Zahn zu fühlen, seine Jod-Finger in meterweit klaffende Wunden zu legen und fest verwurzelte, "alternativlose" Dinge auf den Kopf zu stellen – möglichst unsanft, bitteschön. Vorsicht! Herr A. ist gut vorbereitet – und ziemlich schlecht gelaunt! Und um angesichts der bitteren Ernsthaftigkeit etlicher Themen nicht nur wegen des hochroten Kopfs, sondern auch mit der nötigen Seriösität wahrgenommen zu werden, hat hat Herr A. seinen verbalen Rundumschlag in elf fein säuerliche, zynisch vorgetragene Akte eingeteilt.

Viele davon könnten aktueller kaum sein: Zunächst geht es den Otto-Normal-"Professoren" hierzulande an den Kragen. Sie "wissen ganz genau, was fehlt im Land" und tragen ihre Dumpfheit vom Stammtisch an die Currywurst-Bude, um die bei "Pegida" oder "HoGeSa" aufgeschnappte Polemik dort zu verbreiten. Zu einer Mischung aus Sprechgesang, Deichkind-Beats und rasendem Punkrock-Stakkato entlarvt Herr A. Neonazi-Sprech und statiert trocken: "Und kommt aus ihren Mündern mal was Wahres / Dann ist es Mundgeruch!" Doch mit Kleinhirnen gibt sich der Missionar nicht zufrieden, der Fisch stinkt in diesem Land schließlich vom Kopf her. Mit den Worten "Schau'n wir uns die Scheiße doch mal an" eröffnet Herr A. seine pointierte Rückschau auf die letzten fünf Jahre in der Bundes- und Weltpolitik. "Splitter von Granaten" heißt dieser vor Wut pfeifende Hochgeschwindigkeitszug, und der Song sprießt nur so vor Sätzen, die man einfach mal ans Bundeskanzleramt sprühen – oder zumindest in das von dort gut sichtbare Spreebogen-Grün plakatieren sollte. Einen wichtigeren Song muss in diesem Jahr erst einmal jemand schreiben.

Nach Weitblick und Weltgeschehen lechzt auch das Primitiv-Menschliche nach dem vorgehaltenen Spiegel. "Lauft um Eurer Leben" rechnet mit stumpfen Reality-Formaten auf Kosten der Vorgeführten ab, denn "der Makel anderer Menschen / War schon immer amüsant". Besonders amüsant gelingt Herrn A. aber die Watschn für das Alltäglich-Zwischenmenschliche, für von der Gesellschaft eingeimpfte Verhaltensregeln: Zu schelmigem Offbeat-Pop erzählt er in "Was der Teufel sagt" eine "Kennt jeder!"-Geschichte über den von Blabla und nevigen Höflichkeiten gespickten Pärchenabend und das Gespräch mit dem Chef, wenn der innere Beelzebub am liebsten "auf den Tisch steigen, die Hose runterziehen und den Arsch zeigen" möchte. Großartig! Punktum verstörend und aufwühlend wird es, wenn Herr A. die Isolation und das Scheitern des Individuums in der digital vernetzten Welt beschreibt und dieses Thema in den eingängig-melodischen Punkrocker "Wunderbar" hüllt.

Diese offensichtliche Gegensätzlichkeit verinnerlicht auch das feine "Altar", denn einen Glücks-Schrein oder eine romantische Hochzeit sucht man hier vergebens: Obwohl alles so schön beginnt, man sich so viel verspricht, zeigen die Menschen schnell ihr egomanisches Gesicht. Die Fresse poliert? Bekommt sowieso immer der andere. Puh! Herr Angst ist dabei natürlich irgendwo verwandt mit der großartigen Frau Potz und lehnt mindestens genau so viel ab, jedoch hegt er den großen Groll im Inneren, während das musikalische Gewand zwar Druck und Dampf hat, aber auch Grenzen auslotet – und damit verdammt bunt und eigenständig daherkommt. "Adam Angst" ist nicht wirklich Punk, nicht wirklich Pop und schon gar keine Platte, auf die sich alle einigen werden. Aber wenn der innere Teufel Auslauf braucht und der Mittelfinger juckt, ist ein Besuch im Wut-Camp des Herrn A. die verdammt noch mal beste Therapie.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Professoren
  • Wunderbar
  • Was der Teufel sagt
  • Splitter von Granaten
  • Altar

Tracklist

  1. Jesus Christus
  2. Ja ja, ich weiß
  3. Professoren
  4. Wunderbar
  5. Lauft um Euer Leben
  6. Was der Teufel sagt
  7. Am Ende geht es immer nur um Geld
  8. Wochenende.Saufen.Geil
  9. Splitter von Granaten
  10. Flieh von hier
  11. Altar
Gesamtspielzeit: 40:27 min

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Blablabla

2017-05-03 17:41:53

“Track 3) entlarvt das bürgerliche Vorurteilsdenken bezüglich Ausländern als das, was es eigentlich ist und leider nie jemand so direkt zugeben und beim Namen nennen möchte: Rassismus und schlichte Nazi-Attitüde.“

Track 3 entlarvt das Adam Angst selbst große Vorurteile gegenüber alten Alkoholikern haben. Und irgendwie es unter Jungen Leuten keine Neonazis gibt.

Nonono

2016-04-13 11:52:55

8 von 10? Echt jetzt?
Für mich 4.
Musikalisch wie textlich alles schon zig mal dagewesen

Demon Cleaner

2016-01-10 17:07:16

Auch wenn es inhaltlich einfach gestrickt ist: "Splitter von Granaten" ist schon eine beeindruckende Dampfwalze. Richtig giftig. Gefällt.

OX Kolumne

2015-08-30 14:53:31

Die OX Kolumne von Simon Brüggemann zu Adam Angst, falls das jetzt noch wen interessiert, gibt es hier online:
https://sbrueggemann.wordpress.com/2015/04/04/adam-angst/

DOS

2015-07-10 12:01:17

Hmm, habe das Album jetzt einige Male gehört und nein, finde ich nicht gut!

Ich finde es sehr normal, konservativ, recht schnell abgenutzt - und vor allem: so unendlich plakativ-langweilig. Schade. Aber irgendwie komme ich nicht "rein"...

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