Genepool - Komplex

Rookie / Cargo
VÖ: 06.02.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Der Punk ist rund

Selbst ist die Band. Songs schreiben, Album aufnehmen, wieder nach Hause gehen und die anderen den Rest machen lassen? Nicht bei Genepool. Das Sextett hat für "Komplex" nämlich sämtliche Cover der 300 limitierten Vinyl-LPs eigenhändig bepinselt und bedruckt. Und auch ihre Musik sehen die Kölner laut Bandcamp-Seite als eine Art referenzielle Bastelstunde: "Mit Devo durch die Ritzen, den Gang Of Four runter", bis der Refrain "die Post-Millenniums-Antwort auf das popkulturelle Selbstverständnis eines Neil Tennant" gibt. Will wohl sagen: New Wave trifft Post-Punk, und beide unterhalten sich angeregt über die Achtziger statt über das Beste von heute. Willkommen zurück zwischen den selben Stühlen, um die Genepool schon seit einigen Jahren im Schweinsgalopp Reise nach Jerusalem spielen.

Eingedenk der rasanten letzten Alben "Lauf! Lauf!" und "Spalter" ist der Hörer also gut beraten, sich lieber von Anfang an festzuhalten. Doch dann lässt sich "Komplex" erst einmal alle Zeit der Welt, wenn in "Submission pt. II" der Synthie maßvoll blubbert und die ersten Licks zart durch die frostige Luft sublimieren – ernster scheint die Band den Flirt mit der Finsternis noch nie gemeint zu haben. Doch da Genepool bereits 2013 mit dem gewohnt stürmisch abzischenden Vorabtrack "Rope" besonders den zweiten Teil des Begriffs Post-Punk betonten, besteht kein Grund zur Beunruhigung – erst recht nicht bei der Single "Giants", die mit vorwitzigen Riffs und brillantem Refrain in genüsslichem Midtempo die Tür eintritt. In der Tat ein Riese von einem Song, dem es herzlich egal sein dürfte, wie man ihn nun nennt. Sagen wir einfach Hit dazu.

Auch ohne den 2012 ausgestiegenen Scumbucket-Veteran und Ken-Bassisten Guido Lucas hüllen Genepool also mit Schmackes vor sich hinnörgelnde Rockmusik in ähnliche Grauschleier wie Turbostaat oder Captain Planet – wenn auch von einer deutschsprachigen Zeile abgesehen durchgängig auf Englisch. Zwar waren Fehlfarben vor über 30 Jahren schon einmal so weit, womit wir aber immerhin wieder im Rheinland wären. Ian Spehrs chronisch belegte Stimme erinnert dabei wahlweise an The Sisters Of Mercys Andrew Eldritch ohne Sonnenallergie oder Editors-Sänger Tom Smith in erkältetem Zustand und kontert die immer wieder auflodernde Punk-Energie mit latenter Schwermut – aber johlt auch gerne mit, sobald im furiosen "Anschlag bei Nacht" Molotow-Cocktails durchs Dunkel fliegen. Da können Kraftklub selbst dann einpacken, wenn sie kurz in Schwarz auf böse Jungs machen.

Und seit der ehemalige zweite Drummer Spiro Kotsomitopoulos es an den Electronics verstärkt piepsen und dengeln lässt, gehen Genepool sogar in die Beton-Disco: "My cold dead hand" tanzt mit rigider Zwei-Finger-Sequenz mit Nachdruck den Mussolini – zu mächtigem Trommelfeuer und kämpferischen Leads, versteht sich. Auch der rau schabende "Damaged goods"-Basslauf von "Grey lights" fühlt sich wohl unter der flackernden Neonsonne, während Spehrs Gesang gespresst aus dem Verzerrer röchelt. Von diesem Detail abgesehen pfeifen Genepool aber noch lange nicht auf dem letzten Loch und führen den Titel ihres 2005er Albums "Everything goes in circles" hier letztlich seiner wahren Bedeutung zu: Alles kommt wieder, und der Punk ist rund. Auch wenn er nur knapp die Hälfte der 90 Minuten dauert.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Giants
  • Rope
  • My cold dead hand
  • Anschlag bei Nacht

Tracklist

  1. Submission pt II
  2. Giants
  3. Rope
  4. Is enough
  5. My cold dead hand
  6. Hit me again
  7. Anschlag bei Nacht
  8. Grey lights
  9. Seapeople
  10. Great fire
Gesamtspielzeit: 41:19 min

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Armin

2015-02-04 23:31:39

Ganz frisch rezensiert!

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