The Trouble With Templeton - Rookie
Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough TradeVÖ: 09.05.2014
Waschen und Umlegen
Nie wieder zum Friseur! Zumindest nicht, wenn er Thomas Calder heißt: Es könnte sein, dass der Sänger von The Trouble With Templeton aus dem australischen Brisbane wie in einem Video seiner Band nichts Gutes im Schilde führt. Sobald auf seinem Stuhl nämlich der Typ Platz genommen hat, der Calders Angebeteter schöne Augen macht, eskaliert eine Rasier-Session plötzlich zur blutigen Halsabschneide-Aktion – geschmackvoll in edler Schwarzweiß-Optik gefilmt. Dazu passt, dass sich The Trouble With Templeton nach einer alten Folge der US-Mystery-Serie "The twilight zone" benannt haben, in der ein alternder Broadway-Schauspieler auf die Geister seiner Vergangenheit trifft. Über Calders musikalische Vergangenheit kann man nur Vermutungen anstellen – denkbar ist allerdings, dass Radiohead darin eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben.
Natürlich nicht die Radiohead, die inzwischen mit Clicks und Cuts musizieren und deren Frontmann online hermetisch abgeriegelte Post-Dubstep-Alben veröffentlicht. Stattdessen macht vor allem der Auftakt von "Rookie" dem "OK computer"-Klassiker "Paranoid android" seine Aufwartung – mit akustischer Präzision, unruhig auf der Stelle tretenden Drums und wundem Gesang, der von schluchzenden Bälgern oder bemitleidenswerten Prügelknaben erzählt. Der zarte Schieber "You are new" und der mit flötender Elektronik unterlegte Gitarrenlauf von "Heavy lifting" verdeutlichen jedoch, dass The Trouble With Templeton Größeres vorhaben, als orientierungslosen Jung-Menschen mit gefühligem Epigonentum bloß eine weitere Dreiviertelstunde ihrer Zeit zu stehlen. Und entdeckt das Quintett erst einmal die Tanzfläche, gibt es so gut wie kein Halten mehr.
Da ist auf einmal auch der ausgelassene Jauchzer "Like a kid" möglich, der tatsächlich wie eine jubilierende Rasselbande herumspringt und zu aufgekratztem Beat vielstimmig eine überrissene Stromgitarre anfeuert. Auch "Six months in a cast", der Song mit dem Gurgel-durch-Clip, zieht das Tempo zwischen kehliger Verzweiflung und unerfüllter Sehnsucht an und saust dabei auf einem rigiden Rhythmusgerüst nach Art von Bloc Partys "Banquet" vorbei. Es bleibt einer der wenigen Hofknickse Richtung neuerer Tendenzen britischer Gitarrenmusik, denn der Großteil von "Rookie" bemüht eher die Sorte Drama, die in den Neunzigern etwa die frühen Belle & Sebastian oder die weithin unterschätzten Jack etablierten. Sorgfältig gescheitelte Frisuren, gehobene Garderobe und cooles Wissen um das emotionale Potenzial von Popmusik inklusive.
Und wenn nach diesen beweglichen Lichtblitzen und dem rabaukig polternden Einminüter "Climate" ab der Mitte relative Ruhe einkehrt, gilt das allenfalls für die musikalische Oberfläche, die sich nur scheinbar harmlosem Indie-Folk annähert, während sich inhaltlich immer mehr Abgründe auftun. "I recorded you" zeigt Calder als liebeskranken Stalker seiner Ex, bevor der Frontmann bei "Flowers in bloom" nach chirurgischem Eingriff um seine Organe bangt: "The operation went well and I believe in you / But I still can't tell which part they removed." Ob noch alles da ist? Zumindest diesem prächtigen Album fehlt nicht das Geringste – mit "Glue" nicht einmal ein abschließendes Stück Twee-Wohlgefallen, zu dem man sogar prima das Haupthaar schütteln kann. Lang genug ist es jetzt ja. Vorausgesetzt, man geht nie wieder zum Friseur.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Heavy lifting
- Like a kid
- Six months in a cast
- I recorded you
Tracklist
- Whimpering child
- You are new
- Heavy lifting
- Like a kid
- Six months in a cast
- Climate
- I recorded you
- Flowers in bloom
- Secret pastures
- Soldier
- Glue
- Lint
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Armin
2015-01-06 20:38:28
Frisch rezensiert. Als "Vergessene Perle 2014".
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- The Trouble With Templeton - Rookie (1 Beiträge / Letzter am 06.01.2015 - 20:38 Uhr)