Fjørt - D'accord

This Charming Man / Cargo
VÖ: 21.03.2014
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Zu kalt

Meine Güte, sind die schlecht drauf! Eine junge Frau blickt fröstelnd-verstört samt Pelzmütze in die Kamera, eine unendlich scheinende Farblosigkeit dominiert die Szenerie. Um vorzubereiten auf die gut 36 Minuten im ewigen Eis, die man mit Fjørts erster Platte "D'accord" verbringen wird. Das Trio aus Aachen hat im März ein Debüt hingelegt, das so erst mal verkraftet werden will. Den Frühling allerdings sagt "D'accord" kurzerhand ab. Sowie überhaupt alles, was an Fröhlichkeit mehr zu bieten hat, als ein resigniertes Lächeln in der Dämmerung. Sonne, Frohsinn, Heiterkeit? Nicht mit Fjørt.

Über zehn Stücke ziehen Fjørt ihre Hörer mit bleischwerer Kälte runter, prügeln ein ums andere mal per Post-Hardcore der unbarmherzigen Sorte auf einen ein. Vom Opener "D'accord" bis zum Schlusstrack "Passepartout" prasseln an der Schmerzgrenze herausgepresste Vocals, wummerndes Bassspiel und bisweilen metallisch anmutende Gitarren herab. Fjørt schaffen so eine Platte, die zunächst völlig unnahbar scheint. Ein Ungetüm aus dem Halbdunkel, das es nach Möglichkeit zu meiden gilt. Das aber doch derart fasziniert, dass man sich unwiederruflich ein zweites und drittes Mal durch diesen Brocken kämpfen mag. Um dann zu entdecken, das "D'accord" trotz seiner widerborstigen Oberfläche mit der Zeit doch eigentlich ganz zutraulich ist.

Spätestens dann, wenn das entfesselt um sich tretende "Schnaiserkitt" nach knapp zwei Minuten seine Tobsucht fallen lässt und sich und allen anderen Zeit zum Atmen gewährt. Man blickt sich um, orientiert sich ein wenig und ist plötzlich mittendrin in dieser Platte. Dann macht alles Sinn, nimmt man die Hardcore-Attacken in nahezu jedem Songfinale als geradezu selbstverständlich mit. Und erfreut sich am unmittelbar folgenden "Valhalla". Ein Song, der in dieser Form auch von Fear Before The March Of Flames stammen könnte. Der sich mit Zeilen wie "Der Himmel brennt… / die Lunge brennt / von all dem Dreck / Denk nicht an mich / wenn's dir gut geht" zwar nahtlos ins Stimmungsbild einpasst, aber seine Hörer dennoch in seinen Bann zieht. Gleiches gilt für "Atoll", den vielleicht besten Song der Platte. Der täuscht seine Brutalität zu Beginn nur an, nimmt sich aber dann die Zeit für einen atmosphärischen Instrumentalpart. Das ausladende Finale ist dann zwar vorhersehbar, aber doch unwiderstehlich und auf abseitige Art geradezu wunderschön.

"D'Accord" ist ein generell abseitiges Vergnügen. Egal wie oft dieses Album einen auch wegstößt, man sieht sich jedes Mal auf's Neue genötigt, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Wofür man durchaus belohnt wird. Mit immer neuen, kleinen Zugeständnissen. Mit dem wundervoll melodischen Ende von "Für Elise". Mit dem atemberaubend starken Closer "Passepartout". Mit Momenten unvermittelter Erhabenheit. So sehr "D'accord" zuerst stumpf an einem vorbei prügelt, so anstrengend das alles anfänglich wirken mag: Nimmt man sich die Zeit, ringt man diesem Album Highlight um Highlight ab. Ein mühseliges Unterfangen. Aber lieber spät als gar nicht.

(Martin Smeets)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Schnaiserkitt
  • Valhalla
  • Atoll
  • Passepartout

Tracklist

  1. D'accord
  2. Schnaiserkitt
  3. Valhalla
  4. Von Welt
  5. Hallo Zukunft
  6. Für Elise
  7. Gescholten
  8. Fauxpas
  9. Atoll
  10. Passepartout
Gesamtspielzeit: 36:08 min

Im Forum kommentieren

zurueck_zum_beton

2015-01-08 09:15:13

Ich finde umgekehrt zur Meinung in der Rezension, dass sich die Songs aufgrund der viel zu sauberen Produktion schnell erschließen.

Für ein im weitesten Sinne Hardcore-Album ist mir das viel zu glatt produziert, zu glatt.

Die Songs sind umwerfend, live ist super (s.o.), aber das Album ist mir zu zahm.

zurueck_zum_beton

2014-03-24 17:23:39

Bockt einen live auch gut vonne Klippe. Sind ja auf riesen Tour bald.

Achim1

2014-03-24 17:20:26

Das gefällt mir außerordentlich gut.

Achim.

Delirium

2014-03-24 12:07:25

Am Wochenende zum ersten Mal komplett durchlaufen lassen, hört sich ziemlich gut an. Valhalla hat sich schon komplett festgesetzt. Neben den üblicherweise genannten Referenzen wie Pianos Become the Teeth, Birds in Row, Tidal Sleep, Jungbluth und Escapado kam mir immer mal wieder der teilhochbeliebte Hirsch-Effekt in den Sinn. Und Turbostaat natürlich: Der Sänger klingt nach Windmeier mit Sehnenzerrung. Falls das Album hier rezensiert wird, sage ich dem Thread eine rosige Zukunft als Müllhalde voraus.

Delirium

2014-03-21 11:07:23

This Charming Man Records hat in letzter Zeit ja so einiges an beachtlichen und (naja) "umstrittenen" deutschen Bands veröffentlicht, u.A. Messer, Dramamine, Kadavar oder Die Nerven. Heute erscheint der nächste Brocken, D'accord von Fjørt aus Aachen. Genre: Lärm.

1. D'accord
2. Schnaiserkitt
3. Valhalla
4. Von Welt
5. Hallo Zukunft
6. Für Elise
7. Gescholten
8. Fauxpas
9. Atoll
10. Passepartout

Valhalla (Official)

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